Steuerberatungskanzleien stehen an einem Wendepunkt. Mit der Digitalisierungswelle steigen die Ansprüche von Mandanten, der Finanzverwaltung, Talents und Marktbegleitern sprunghaft an. Haben kleine Kanzleien überhaupt eine Chance, den Wandel zu überleben? Oder genießen sie gerade aufgrund ihrer überschaubaren Größe die Branchenriesen? Zu Gast ist Steuerberater Stefan Groß, Partner der renommierten Münchner Kanzlei Peters, Schönberger & Partner – kurz PSP. Im Gespräch mit Paul Liese spricht er über Chancen, die sich gerade heute Kanzleien bieten. Und welche Weichen unbedingt gestellt werden müssen, bevor es zu spät ist.
Stefan Groß ist Steuerberater und CISA (Certified Information Systems Auditor). Als Experte mit einer Leidenschaft für Digitalisierung beschäftigt er sich intensiv mit der Zukunft der Kanzleien. Sein Kerngebiet verortet Stefan zwischen Steuerrecht und Informationstechnologie. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sich Stefan mit der Digitalisierung des Steuerrechts, als die Finanzverwaltung die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen – kurz GDPdU – eingeführt hat. Was heute selbstverständlich oder zumindest sehr verbreitet ist, galt damals als kleine Revolution.
Heute beschäftigt er sich mit Tax Technology, also wie kann man Technologien im Bereich Steuern einsetzen – sowohl in Kanzleien als auch in Unternehmen. In einer Ausgabe der REthinking Tax sinnierte der Fachmann über die Steuerberatung im Jahre 2035. Stefan ist der Meinung, dass heutige Trends wie KI die Steuerberater:innen nicht ersetzen werden. Definitiv müssen diese sich aber heute bereits mit digitalen Lösungen beschäftigen. Die Verbreitung von Low-Code-no-Code-Angeboten sorgt dafür, dass niemand mehr programmieren können muss.
In der Pandemie sieht Stefan eine katalytische Wirkung. Plötzlich waren Kanzleien und Unternehmen konfrontiert mit Medienbrüchen. Analoge Prozesse mussten plötzlich digitale Alternativen finden. Kurz gesagt: Ohne Covid-19 wäre die Digitalisierung in Kanzleien heute bei weitem nicht auf dem jetzigen Stand. Zudem bemerkt er, dass die heutigen Technologien es immerhin ermöglichen, Prozesse zu digitalisieren. Die identische Pandemie vor 15 Jahren hätte ungleich größere Probleme mit sich gebracht, da es die notwendigen Technologien gab. Er bescheinigt dem Berufsstand eine bisher gute Leistung bei der digitalen Umstellung.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Agile Kanzleien klar im Vorteil
Paul will wissen, wo profitieren die Kanzleien – und profitieren nur die großen oder auch bzw. gerade die kleinen? Stefan betrachtet die Frage differenziert. Kommen digitale bzw. automatisierende Lösungen für repetitive Aufgaben, besteht das Risiko, dass statische Kanzleien auf der Strecke bleiben. Dagegen sind Kanzleien, die die Digitalisierung von Anfang bis Ende denken, ganz anders aufgestellt. Beispielsweise erschließen sich solche Kanzleien auch bei geringer Größe überregionale Mandanten, da sich auch die Unternehmen dem digitalen Wandel anpassen. Große Kanzleien konnten es sich schon immer leisten, überall kleine Dependancen zu unterhalten. Heute können kleine Kanzleien durch digitale Erreichbarkeit diesen Wettbewerbsnachteil ausgleichen.
Hier wirft Paul ein, dass dies bedeutet: Kanzleien können sich auf Branchen spezialisieren, da sie nicht mehr darauf angewiesen sind, welche Unternehmen regional erreichbar sind. Stefan nennt als erstes Beispiel Kanzleien, die sich auf eine bestimmte Kategorie von Mandanten spezialisiert haben, etwa Start-ups. Paul will wissen, welchen Stellenwert die Digitalisierungsberatung heute in Steuerkanzleien einnehmen sollte. Es geht um die Frage: Gestaltet meine Kanzlei die Digitalisierung bei meinen Mandanten – oder gestaltet jemand anders? Stefan antwortet darauf, dass die Kanzleien sich die Frage stellen müssen, wie ihr Geschäftsmodell in naher Zukunft aussieht. Sollten in wenigen Jahren repetitive Aufgaben automatisiert werden, schafft dies Freiräume für andere Geschäftsfelder. Dies setze allerdings Veränderungsbereitschaft voraus, so Stefan Groß.
Digitalisierung und Recruiting
Er betont, dass die Digitalisierung keine Modeerscheinung ist, die bald wieder verschwindet. Dagegen könne man sich wehren, man könne aber auch die Zukunft mitgestalten. Dabei haben Steuerberatungen den großen Vorteil gegenüber Berater:innen aus anderen Branchen: Sie kennen sich steuerrechtlich bestens aus. Die Verknüpfung des steuerrechtlichen und des digitalen Wissens sieht Stefan als den USP der Steuerkanzleien. Man brauche allerdings auch die Leute dafür. Laut Stefan benötigen Kanzleien Personen, die sich von sich aus für digitale Themen interessieren. Das Interesse könne man niemandem aufzwingen. Erst eine solche Person kann sich entsprechend bilden und später die Mandanten beispielsweise bei der Auswahl des richtigen Softwaresystems beraten.
Den neuen Abschluss FAIT (Fachassistent Digitalisierung und IT-Prozess) der Bundessteuerberaterkammer sieht Stefan positiv. Hier sieht er die Chance, Menschen, die ihre Ausbildung zum:zur Steuerfachangestellten abgeschlossen haben, für den digitalen Bereich zu begeistern. Paul ergänzt, dass die Digitalisierungsberatung zusätzlich den Vorteil mitbringt, neues Personal nicht ausschließlich im Steuerberatungsumfeld zu suchen. Generell IT-affine Menschen, die sich für digitale Themen begeistern können, erhalten mit der digitalen Erschließung der Steuerberatungsbranche neue Karrieremöglichkeiten. Zudem sieht er Vorteile darin, eine völlig unbeteiligte Person, die nicht hauptsächlich den betroffenen Mandanten betreut, auf die Prozesse schauen zu lassen. So stehen die Chancen gut, wirklich neutral auf die Abläufe zu schauen und Verbesserungspotenziale zu benennen.
Vor- und Nachteile von E-Learnings
Beim Thema Trend zum E-Learning sind sich die Gesprächspartner einig. Stefan betont allerdings noch, dass der Trend zur digitalen Weiterbildung bereits vor der Pandemie Fahrt aufgenommen habe. Aktuell baut die Kanzlei von Stefan ein neues Intranet mit einem eigenen Bereich für E-Learnings auf. Prozesse wie das Onboarding sind dort als Videos abgelegt. Zwar gäbe es weiterhin das persönliche Onboarding, allerdings können sich die neuen Kolleg:innen alles später noch einmal anschauen. Grenzen des E-Learnings sieht Stefan in Vorträgen, die vom Austausch leben. Für die Zukunft erwartet er eine Art Mischung aus E-Learnings und persönlichem Austausch. Nur eines von beiden könne er sich nicht vorstellen.
In die gleiche Kerbe schlägt Stefan auch mit seiner Überzeugung, dass der persönliche Kontakt gerade für Beratungstätigkeiten wichtig ist. Dieser müsste im Vorfeld erlernt werden, was rein digital schwierig sei. An der Stelle ergänzt Paul, dass gerade bei der Ausbildung im Bereich Digitalisierung auch das Erlernen von Gesprächsführung und Moderation wichtig sei. Denn alles Fachwissen bringt nichts, wenn man es seinem Gegenüber nicht vermitteln kann.
Wer sollte heute digitalisieren?
Wie lautet Stefans Empfehlung für Kanzleien, vor der Frage zu stehen: Wie gehen wir die Digitalisierung an? Zunächst einmal empfiehlt Stefan eine positive Grundhaltung bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Digitalisierung. Dies gelte sowohl für junge, agile Kanzleien als auch für Kanzlei-Inhaber:innen, die nur noch wenige Jahre Arbeitsleben vor sich haben und denken: Warum soll ich mich noch mit dem Thema beschäftigen? Bei Letzterem geht es darum, die Kanzleinachfolge zu erleichtern und generell den Kanzleiwert zu erhöhen.
Digitalisierung in der Steuerkanzlei: So profitieren Sie als Kunde
Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren auch in der Steuerberatungsbranche Einzug gehalten. Immer mehr Steuerkanzleien setzen auf digitale Prozesse und Tools, um ihren Mandanten eine effizientere und transparentere Betreuung zu ermöglichen. Doch was bedeutet das für Sie als Kunde? In diesem Artikel erfahren Sie, welche Vorteile die Digitalisierung für Sie und Ihre Steuerkanzlei bringt.
Schnellere und effizientere Prozesse
Durch den Einsatz digitaler Tools und Software können viele Arbeitsprozesse in der Steuerkanzlei automatisiert werden. So können beispielsweise Buchhaltungsdaten direkt aus dem Online-Banking importiert und verarbeitet werden. Das spart Zeit und minimiert Fehlerquellen. Auch die Kommunikation zwischen Kanzlei und Mandanten wird durch digitale Lösungen vereinfacht. Dokumente können bequem online ausgetauscht werden und Fragen lassen sich schnell per E-Mail oder Chat klären. Das bedeutet für Sie als Kunde eine schnellere und effizientere Bearbeitung Ihrer Anliegen.
Mehr Transparenz und Kontrolle
Durch die Digitalisierung können Sie als Kunde jederzeit den Überblick über Ihre Finanzen behalten. So können Sie beispielsweise über eine Online-Plattform jederzeit auf Ihre Buchhaltungsdaten zugreifen und Auswertungen einsehen. Auch die Kommunikation mit Ihrer Steuerkanzlei wird transparenter, da Sie jederzeit den Status Ihrer Anfragen und Aufträge einsehen können. Durch den Einsatz digitaler Lösungen haben Sie als Kunde also mehr Kontrolle über Ihre Finanzen und können schneller auf Veränderungen reagieren.
Bessere Beratungsmöglichkeiten
Durch die Digitalisierung ergeben sich für Steuerkanzleien auch neue Beratungsmöglichkeiten. So können beispielsweise Prognosen und Szenarien auf Basis von Echtzeitdaten erstellt werden. Das ermöglicht eine bessere und fundiertere Beratung für Sie als Kunde. Auch können durch den Einsatz von KI-Systemen und Machine Learning-Verfahren neue Erkenntnisse gewonnen werden, die für die Steuerberatung relevant sind. Durch die Digitalisierung wird also auch die Beratungsqualität gesteigert.
Nächste Woche Freitag bei „hsp live um 11“ ist Christian Schoppe zu Gast. Dann geht es um Dos und Don’ts bei der Verrechnungspreisdokumentation.
Paul ist Geschäftsführer der hsp und derjenige, der die Klappe hält. Seine Top-Themen: Medienbrüche mittels Software abschaffen. Verfahrensdokumentation, IKS, TCMS und weitere Compliance Themen. Sein aktuelles Projekt: Verrechnungspreisdokumentationen ohne Medienbrüche erstellen. Mittels Taxonomie.