Opti.Cast: Im Interview mit Thomas Müller von der Ecovis KSO
Was kommt auf eine Kanzlei zu, wenn sie ihren Mandanten die Verfahrensdokumentation als Leistung anbieten will? Darüber spricht Thomas Müller, Geschäftsführer der ECOVIS KSO.
Paul Liese: Guten Tag, Herr Müller.
Thomas Müller: Guten Tag, Herr Liese.
Paul Liese: Eigentlich darf ich mich ja nicht selbst willkommen heißen, denn ich bin ja bei Ihnen zu Gast. Aber ich mache das einfach mal. Vielen Dank, dass wir heute hier sein dürfen, um ein paar Eindrücke zu bekommen zum Thema Verfahrensdokumentation. Und zwar würde mich aus Ihrer Sicht mal interessieren, welche strategische Bedeutung dieses Thema für Sie vor einem Jahr hatte.
Thomas Müller: Man muss dazu sagen, dass wir uns mit dem Thema erstmals im Sommer 2018 beschäftigt haben. Da haben wir die ersten Berührungspunkte aufgenommen, als das Thema in der Fachliteratur auch eine immer größere Bedeutung gewonnen hat. Wir haben dann Ende 2018 mit den ersten Mandantenveranstaltungen begonnen und haben zu Beginn des Jahres 2019 eigentlich systematisch mit der Beratung in unserer Kanzlei begonnen. Dieser Beratungsansatz war uns schon zum damaligen Zeitpunkt sehr wichtig, weil wir uns davon sehr viel versprochen haben neben den klassischen Beratungsfeldern in der Steuerberatung. Denn diese Prozessberatung war für uns auch neu und hat seitdem auch weiter an Bedeutung gewonnen, weil wir innerhalb dieses Jahres festgestellt haben, welchen Mehrwert unsere Mandanten dadurch generieren können und eben auch wir als Berater, weil man im Ergebnis schon feststellt, dass man noch ein Stückchen enger zusammenwächst und bei langjährigen Mandanten auch einen guten Blick hinter die Kulissen noch gewinnt, was für uns neu war.
Paul Liese: Den hätte man vorher nicht gehabt, diesen Blick hinter die Kulissen?
Thomas Müller: Nein, den hätte man vorher so in der Art und Weise nicht gehabt. Die Fragen, die man bei den Prozessbeschreibungen stellt, gehen schon tiefer als das, was die klassische Steuerberatung kennt im Rahmen der Erstellung von Finanzbuchhaltung und Jahresabschlüssen.
Paul Liese: Und gibt es überraschende Erkenntnisse?
Thomas Müller: Mitunter ja. Wir stellen schon fest, dass auch bei Mandanten, die wir jahrelang betreuen, es Bereiche gibt – nehmen Sie Datenschutz, nehmen Sie die IT-Beratung –, wo sicherlich noch Bedarf zur Verbesserung ist.
Paul Liese: Jetzt hat Ihr Team vorhin gesagt, dass es so eine Mischkonstellation gibt: es gibt Mandanten, die sagen, „schön, dass ich das jetzt habe, Schublade, erledigt“, es gibt aber auch eine Vielzahl von Mandanten, die den Mehrwert für sich erkannt haben. Würden Sie sagen, dass Sie aus der Kanzleisicht auch einen Mehrwert dadurch für sich haben?
Thomas Müller: Das sehe ich sicherlich so, dass wir einen Mehrwert daraus haben, weil wir im Rahmen dieser Beratung sicherlich sehr viel tiefer gehen, als wir das bislang die Jahre über getan haben bei der Erstellung einer Finanzbuchhaltung, wo man letztlich Belege und Daten der Mandanten bekommt, eine Finanzbuchhaltung macht und das dann dem Mandanten wieder zurückspielt. Durch die Beratung im Rahmen der Verfahrensdokumentation geht man deutlich tiefer und dadurch generieren auch wir einen deutlichen Mehrwert durch diese Beratung. Auch weil die Zusammenarbeit mit den Mandanten doch noch ein Stück weit tiefer geht, als wir das bislang kannten.
Paul Liese: Das heißt, das was Sie sich strategisch vor einem Jahr vorgenommen haben, haben Sie erreicht?
Thomas Müller: Das würde ich so sagen, ja. Doch, die Erwartungen sind erfüllt. Wir hatten ja in dem Prozess mit einigen Themen auch ein wenig zu kämpfen. Das Ganze ist ein neues Beratungsfeld, ein neuer Beratungsansatz gewesen. Wir hatten einige Themen am Anfang mit den Mandanten zu bewältigen, auch bei uns in der Kanzlei selber. Aber ich muss sagen, jetzt ein Jahr zurückblickend haben sich die Erwartungen schon sehr erfüllt, ja.
Paul Liese: Jetzt ist es ja bei Ihnen so, dass Sie das nicht nebenbei gemacht haben, sondern Sie haben ein komplett neues Team aufgebaut. Da stellt sich natürlich für viele Berufskollegen von Ihnen, die in einer ähnlichen Situation sind, die Frage: Trägt sich das überhaupt? Ist diese Investition, diese strategische Entscheidung nachhaltig und habe ich auch die Möglichkeit, auf der Mandanten- oder Kanzlei-Seite die Kosten zu decken?
Thomas Müller: Also ich würde vielleicht mal vor die Klammer ziehen, es besteht ja grundsätzlich eine Verpflichtung für die Mandanten, eine Verfahrensdokumentation zu erstellen, wenn sie Gewinneinkünfte erzielen. Und deshalb hat sich für uns auch eigentlich nie die absolute Frage gestellt, ob wir in diesem Bereich beraten oder nicht beraten. Wir müssen meines Erachtens nach unsere Mandanten aufklären und auch beraten. Und ja, wir haben auch die Entscheidung getroffen, ein komplett neues Geschäftsfeld neu zu entwickeln, was die Notwendigkeit mit sich brachte, dass wir in Personal investieren mussten, in Software investieren mussten und auch in die Erlangung von Knowhow investieren mussten, was dazu führt, dass man natürlich eine gewisse Investitionsbereitschaft, vielleicht auch ein Stück weit Mut, mitbringen muss, um eben einen solchen Weg zu gehen. Aber für uns war das wirklich alternativlos.
Mehrwert Verfahrensdokumentation
Paul Liese: Es gibt ja keine lange Historie, auf die man schauen könnte, um irgendjemand anderes zu finden und zu fragen, wie das funktioniert. Das heißt deswegen auch Pionierarbeit auf Ihrer Seite. Viele andere Anwender von unserer Software hatten ähnliche Situationen und das Feedback, was wir bekommen, ist: „Es funktioniert.“ Es ist erfolgreich und stiftet auf beiden Seiten Mehrwert. Wo sehen Sie das Thema Verfahrensdokumentation in 12 Monaten bzw. in den nächsten zwei Jahren?
Thomas Müller: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die „Blocker“ in der Entwicklung dieses Geschäftsfeldes hinter uns gelassen haben. Drei Bereiche gab es, die wir ein Stück weit knacken mussten: Auf Seiten der Mandanten eine Bereitschaft, die Verfahrensdokumentation trotz Verpflichtung überhaupt zu erstellen. Das war eigentlich, fand ich, das größte Problem, weil die Mandanten das als neues Bürokratiemonster für sich ausgemacht haben. Nach Themen wie Datenschutz und Geldwäsche war nicht unbedingt immer die Bereitschaft da, eine Verfahrensdokumentation zu erstellen. Das war der erste Punkt. Der zweite Punkt war die Personalsituation, die man selber erstmal in der Kanzlei schaffen muss, weil wir erkannt haben, dass es nicht ging, aus dem laufenden Betrieb mit laufenden Mitarbeitern eine Verfahrensdokumentationsabteilung zu gründen. Wir brauchten neues Personal mit neuem Knowhow und wir brauchten eine Software, die wir bis dahin nicht hatten. Wir haben zunächst uns mit Word und Excel ein wenig versucht, haben aber sehr, sehr schnell erkannt, dass das nicht funktioniert, und haben auch in diesem Bereich investiert.
Paul Liese: Wo Sie gerade das Thema Software ansprechen: Welche Rolle spielt die Software für Sie in dem ganzen Prozess?
Thomas Müller: Die spielt neben den anderen beiden genannten Themen eine sehr, sehr große Rolle, hat eine sehr große Bedeutung, weil wir eine Software benötigen, die ich sag mal die Erstellung einer Verfahrensdokumentation innerlich vollumfänglich gewährleisten muss, die fachlich richtig sein muss, die vor allen Dingen revisionssicher sein muss und die sowohl für unsere Mitarbeiter als auch für die Mandanten benutzerfreundlich sein muss. Und deshalb ist die Software von elementarer Bedeutung für unser Haus.
Paul Liese: Das sehen wir auch so bzw. bekommen wir auch von vielen anderen Kanzleien zurückgespielt, denn unsere Erfahrung zeigt auch, dass der Prozess des belegersetzenden Scans nicht alles ist. Das ist ein Teil einer Verfahrensdokumentation, aber beschreibt halt nicht alle Prozesse. Würden Sie sagen, dass die Verfahrensdokumentation eigentlich der Grundstein ist für darauf aufbauende Themen, die die Mandanten heute noch nicht haben, aber brauchen werden oder eigentlich auch schon längst bräuchten – wenn wir so das Thema IKS, Text-Compliance-Management-System usw. nennen?
Thomas Müller: Ja, das sehe ich so. Es ist sicherlich ein bisschen abhängig von der Unternehmensgröße, über die man spricht und mit der man zu tun hat. Aber es gibt sicherlich eine Vielzahl von Unternehmen, wo das Thema Text-Compliance-System ein großes Thema in der Zukunft sein wird. Ich denke schon, dass das mehr und mehr an Bedeutung gewinnen wird in der Praxis, ja.
Paul Liese: Vielen Dank für Ihre Informationen und Ihre Aussagen. Ich denke, das wird dem einen oder anderen, der dieses Video schaut und auch vor dem Thema steht, „mache ich das mit meiner Kanzlei, gehe ich das Thema an“, vielleicht Hilfestellung leisten. Haben Sie Fragen an mich? Ich muss ja nicht der einzige sein, der Fragen stellt.
Thomas Müller: Im Moment habe ich eigentlich keine weiteren Fragen, nein.
Paul Liese: Okay, gut, dann sage ich vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft, für Ihre Zeit und die Mühe.
Thomas Müller: Sehr gerne.
Paul ist Geschäftsführer der hsp und derjenige, der die Klappe hält. Seine Top-Themen: Medienbrüche mittels Software abschaffen. Verfahrensdokumentation, IKS, TCMS und weitere Compliance Themen. Sein aktuelles Projekt: Verrechnungspreisdokumentationen ohne Medienbrüche erstellen. Mittels Taxonomie.