Insbesondere seit Beginn der Pandemie rollt eine Digitalisierungswelle durch die Steuerkanzleien. Wer allerdings einen Blick hinter den Hype wagt, erkennt schnell, dass viele Kanzleien im Arbeitsalltag feststecken. Wohin soll sich die Kanzlei entwickeln? Wie sehen die ersten Schritte dorthin aus? Für solche Fragen haben viele Steuerfachleute einfach keine Zeit. Berater und Moderator Sebastian Thalhammer ist Experte für Business Storytelling, also Markenbildung und Markenprofilierung. Er zeigt auf, wie wichtig es ist, als Steuerkanzlei ein Profil zu entwickeln. Gleichzeitig erklärt er, mit welchen Schritten, Methoden und Werkzeugen dieses Ziel angegangen werden kann.
Sebastian Thalhammer ist live aus Stroheim in Oberösterreich zugeschaltet, etwa 25 km westlich von Linz. Sebastian hat das Digital Transformation Institut gegründet, das sich mit den Auswirkungen digitaler Transformation auf Gesellschaften und Organisationen beschäftigt, hier im Speziellen auf Steuerberater:innen. Zudem ist er Inhaber von Firestorm Digital. Das Unternehmen bietet Markenstrategien und Storytelling u. a. für Steuerberatungen an. Darüber hinaus ist Sebastian zertifizierter Digitalisierungsberater.
Martins erste Frage an Sebastian lautet: Welchen Einfluss hat Markenstrategie bei Fragen der Digitalisierung? Verständlicher ausgedrückt: Was hat die Markenstrategie eines Unternehmens mit Digitalisierung zu tun? Unter Markenstrategie versteht man die Richtung, in die eine Marke entwickelt soll. Beispiel: Wofür wollen wir als Kanzlei stehen? Welche Spezialisierungen, welche Werte bieten wir? Sebastian antwortet, dass viele irrtümlicherweise versuchen, bei der Digitalisierung das Pferd von der falschen Seite aus aufzuzäumen. Statt zunächst eine Strategie zu erarbeiten, werde nach Softwarelösungen und dergleichen geschaut.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Generalist war gestern, Spezialisierung ist die Zukunft
Bevor eine Kanzlei sich also im Klein-Klein verliert, stellt Sebastian klare Fragen: Was wollt ihr erreichen? Was ist die Strategie des Unternehmens bzw. der Marke? Für wen seid ihr hier? Welchen Nutzen wollt ihr liefern? Und wie wollt ihr am Markt wahrgenommen werden? Meist stellt sich heraus, dass die Kanzlei sich bislang überhaupt nicht mit der Thematik der Markenstrategie beschäftigt hat. Es werden die Aufträge und Mandate so angenommen, wie sie anfallen. Da es aber unterschiedlichste Arten von Mandanten gibt, kann eine Kanzlei bei der Digitalisierung keine Lösung finden, die auf alles und jeden passt.
Kanzleien müssen sich fragen, wo die Reise in den nächsten 15, 20 Jahren hingehen soll. Denn auch die Mandanten entwickeln sich weiter, ohne dass irgendjemand etwas dagegen tun kann. Diese wissen, was Steuerberatungen heutzutage leisten können, sollten oder sogar müssen. Hat sich eine Steuerkanzlei auf eine Strategie festgelegt, können dafür die passenden digitalen Werkzeuge und Prozesse ausgesucht und eingeführt werden. Eine Markenstrategie oder auch eine Vision helfen einer Kanzlei, auf Kurs zu bleiben. Spezialisierungen können Branchen sein, aber auch Unternehmensformen oder andere Gemeinsamkeiten.
Storytelling bedeutet, Botschaften verständlich zu kommunizieren
Martins zweite Frage an Sebastian: Was macht ein Steuerberater mit Storytelling? Frei übersetzt: Was ist Storytelling und was haben Steuerberater:innen davon? Sebastian sieht das folgendermaßen: Steuerberater:innen sind ständig damit beschäftigt, komplexe Informationen an ihr Gegenüber zu übermitteln. Dies gelingt oft nicht, da die Aufbereitung nicht optimal ist. Dabei geht es Sebastian primär nicht um Mandanten, denn diese sind aktuell im Überfluss vorhanden. Ihm geht es um Mitarbeitende und Bewerber:innen, denn an denen mangelt es schon seit einiger Zeit massiv. Hier müssen sich Kanzleien viel stärker fragen, mit welchen Strategien Bewerber:innen angesprochen, überzeugt und gehalten werden können.
Sebastians Erfahrungen nach klingen Steuerberater:innen recht nüchtern, wenn diese über ihre Kanzleien reden. Mit dem richtigen Storytelling kann dies geändert werden. Ohne eine klare Abgrenzung wird jede Steuerkanzlei im Meer der Informationen untergehen, das uns täglich umgibt. Die meisten Kanzleien versprechen das Gleiche, bieten das Gleiche an und kommunizieren gleich. Auf der anderen Seite sitzt ein Talent, das irgendwo in einer Steuerkanzlei sitzt und wechselwillig ist. Es geht online, vergleicht die Websites und findet überall die gleiche langweilige Brühe vor. Deine Kanzlei mag die beste für die Person sein, aber niemand bekommt es mit. Das brillante Beispiel von Sebastian zeigt auf, wie überlebenswichtig eine klare Positionierung für Kanzleien ist. Storytelling sorgt dafür, sich vom Einheitsbrei abzusetzen und sichtbar zu werden.
Digitalisierung hilft doppelt gegen Personalmangel
Eine Steuerberaterin aus Deutschland hat Sebastian erzählt, dass sie seit zwei Jahren keine Bewerbung mehr für ihre Kanzlei erhalten hat. Sie könne es sich nicht mehr leisten, für alle da zu sein. Genau so sieht es Sebastian auch. Gerade Kanzleien in der Größenordnung bis zehn, fünfzehn Mitarbeitende werden ohne Spezialisierung ums Überleben kämpfen. Wie sollen Kanzleien auch in jeder Branche bis ins Detail alle steuerlichen Fragen beantworten können? Das Steuerrecht ändert sich ständig, überall. Allein die Kapazitäten reichen nicht aus, um alle Branchen und Unternehmensarten zu bedienen. Auf der anderen Seite bedeutet dies, dass eine Spezialisierung und parallele Digitalisierung einer Kanzlei helfen, personelle Engpässe durch Prozessoptimierungen auszugleichen.
Die dritte Frage von Martin: Worauf Steuerberater achten müssen, um die richtigen Mitarbeiter anzusprechen? Bedeutet: Wie erreichen Steuerberater:innen und Steuerkanzleien die richtigen Bewerber:innen? Das Hauptproblem sieht Sebastian zunächst einmal im eher mäßigen Image des Berufsstands. Viele Außenstehende sehen die Steuerberatung als trockenes Berufsfeld an, als langweilig und angestaubt. Dass heute hohe Anforderungen an digitale Themen, an Agilität und Consulting gestellt werden, ist da draußen überhaupt nicht angekommen. Daneben gibt es viele Menschen, die bereits in einer großen Kanzlei gearbeitet haben, dort aber regelrecht verbrannt wurden. Dass Steuerberatung auch ganz anders aussehen kann, wissen diese Personen überhaupt nicht.
Authentizität ist essenziell, muss aber auch ankommen
Als einen falschen Ansatz sieht Sebastian monetäre Anreize an. Denn das bedeutet, sich in einen Bieterwettbewerb zu begeben. Die Kanzlei, die am meisten bietet, gewinnt. Das kann nicht die Lösung sein. Viel wichtiger seien die Werte einer Kanzlei. Statt neue Mitarbeitende mit Benefits zu überschütten, sollte auf ein stimmiges Gesamtpaket geachtet werden. Dazu gehören wertschätzende Benefits, die sinnvoll sind, aber auch Prozesse, ein motivierendes Umfeld, spannende Aufgaben usw. Einer der häufigsten Wechselgründe von Mitarbeitenden aus Kanzleien ist die Perspektivlosigkeit. Storytelling schafft es im Idealfall, potenzielle Mitarbeitende als Teil der Reise der Kanzlei zu gewinnen.
Storytelling funktioniert aber nur, wenn die Basis authentisch ist. Wird einfach nur ein Luftschloss gebaut, ohne sich das Fundament anzuschauen, wird eine gewonnene Fachkraft auf Dauer nicht zu halten sein. In einem Workshop mit einer Kanzlei hat Sebastian einfach nur mal wiedergegeben, was die Kanzlei macht. Mit dieser Außensicht kam die Erkenntnis, dass sie doch eigentlich ganz cool sei.
Paul ist Geschäftsführer der hsp und derjenige, der die Klappe hält. Seine Top-Themen: Medienbrüche mittels Software abschaffen. Verfahrensdokumentation, IKS, TCMS und weitere Compliance Themen. Sein aktuelles Projekt: Verrechnungspreisdokumentationen ohne Medienbrüche erstellen. Mittels Taxonomie.