Seit dem 1. August 2022 gilt das neue Nachweisgesetz, die Umsetzung einer EU-Richtlinie durch die deutsche Legislative. Es regelt die Details eines Arbeitsvertrags strenger als bisher, was für Arbeitgeber:innen deutlich mehr Aufwand bedeutet. Unter anderem müssen Arbeitsverträge analog ausgehändigt werden, also auf Papier. Dabei haben gerade in den vergangenen zwei Jahren viele Kanzleien damit begonnen, ihre Prozesse zu digitalisieren. Müssen jetzt wieder Toner und Papier nachgekauft werden? Oder gibt es Wege, die zwangsweise analogen Dokumente zumindest digital zu unterschreiben?
Paul gibt einen kleinen Einblick in die Realität der hsp. Denn das Hamburger Unternehmen digitalisiert seit 2019 immer mehr Arbeitsprozesse. Irgendwann soll es keine Papierdokumente mehr geben. Auch die Arbeitsverträge sind betroffen. Nun verlangt jedoch ein weitreichendes Nachweisgesetz die Rolle rückwärts. Gibt es zumindest Möglichkeiten, den Prozess der Unterschrift digital abzubilden? Disclaimer an dieser Stelle: Sowohl bei der Livesendung „hsp live um 11“ als auch bei diesem Blogeintrag handelt es sich nicht um eine Rechtsberatung. Es wurden und werden persönliche Einschätzungen und Meinungen wiedergegeben. Wer rechtliche Fragen besprechen möchte, sollte eine professionelle Rechtsberatung in Anspruch nehmen.
Gastgeber Paul Liese begrüßt im Stream zwei alte Bekannte von „hsp live um 11“. Zum einen handelt es sich um Digital-Signage-Experte Hendrik Siemes von d.velop, der bereits das Thema digitale Signaturen präsentiert hat. Hendrik beschäftigt sich seit drei Jahren intensiv damit und kümmert sich unter anderem um den Vertrieb der Software d.velop sign. Der Zweite im Bunde ist Sebastian Mertens, Fachmann für Automatisierungen. Er hat in der Vergangenheit dem Livestream-Publikum unter anderem das Thema Low-Code/No-Code nähergebracht. Dies ist auch beruflich sein Tätigkeitsfeld, sowohl als Entwickler als auch als Berater für Unternehmen.
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Nachweisgesetz 2022 nicht durchgehend praktikabel?
Wie schätzen die Gäste die Vorgaben des neuen Nachweisgesetzes ein? Hendrik geht davon aus, dass der Arbeitsvertrag in Gänze auch weiterhin digital ausgegeben und unterschrieben werden darf. Allerdings muss zusätzlich mindestens ein zusammenfassender Ein- bis Zweiseiter mit fünfzehn festgelegten Punkten analog vorliegen und unterschrieben ausgegeben werden. Es werden also zwei Dokumente benötigt, würde ein Unternehmen den Prozess zumindest teilweise digital abbilden wollen. Die genannten fünfzehn Punkte sind die wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen, unter anderem:
- Name und Anschrift beider Vertragsparteien
- Zeitpunkt des Arbeitsverhältnisses
- Befristung bzw. Laufzeit des Arbeitsvertrags
Die Frage, die sich die meisten Unternehmen stellen müssen, lautet also: Leiste ich mir den Aufwand, zwei Dokumente pro Arbeitsverhältnis anzulegen, oder verzichte ich darauf? Bei einem Verzicht wird alles mit einem Arbeitsvertrag abgebildet, der vollständig analog ausgegeben und unterzeichnet wird. Sebastian merkt an, dass durch die Formulierung des Nachweisgesetzes viele Unternehmen ihre Arbeitsverträge komplett analog abhandeln. Aus Unsicherheit werden dann teils 97-seitige Dokumente ausgedruckt und verschickt, obwohl theoretisch 95 Seiten rein digital abgebildet werden müssten. Hendrik hat mit vielen Kanzleien gesprochen und diese empfehlen zwei Möglichkeiten.
Im ersten Schritt kann der Arbeitsvertrag mit allen Anhängen weiterhin digital gezeichnet werden. Hier gibt es keine Schriftformerfordernis. Zwar gibt es eine Empfehlung seitens Jurist:innen zu qualifizierten elektronischen Signaturen, allerdings aus gesetzlicher Sicht bisher keine Verpflichtung. Im zweiten Schritt wird der Zweiseiter mit den fünfzehn Punkten als erste Möglichkeit per Post verschickt. Die empfangende Person bestätigt den Erhalt auf einem anderen Wege, beispielsweise per SMS oder E-Mail. Die Bestätigung wird im DMS abgelegt. Zweite Möglichkeit: Der Zweiseiter wird beispielsweise in einem Willkommenspaket am ersten Arbeitstag übergeben. Hier ist es wichtig, dass HR oder GF ein Bestätigungsdokument ausfüllen, wann und in welcher Form das Dokument an die neue Arbeitskraft übergeben wurde.
Zur Sicherheit Prozesse dokumentieren?
Was bedeutet das für die arbeitgebende Seite? Muss ein Unternehmen zumindest den Zweiseiter plus die Empfangsbestätigung analog im Aktenordner archivieren? Hendrik kann die Frage aus juristischer Sicht ganz klar mit einem „Ja“ beantworten. Praktikabel erscheint es ihm allerdings weniger. Sinnvoller sei es seiner Ansicht nach, wenn Arbeitsvertrag, Zweiseiter und Bestätigung in digitaler Form in die digitale Personalakte gelegt würden. Das Hauptproblem besteht darin, dass es noch kein Best Practice gibt. Wie bestimmte Vorgehensweisen vor Gericht betrachtet werden, steht noch in den Sternen.
Sollte ein Unternehmen den angewandten Prozess dokumentieren? Oder reicht es, der Prüfperson den Aktenschrank zu zeigen? Sebastian sagt, dass die Fragen erst dann zu beantworten sind, wenn erste Fälle vor Arbeitsgerichten landen. Wobei Hendrik Paul zustimmt, wenn es darum geht, den Behörden eine saubere Vorgehensweise nachzuweisen. Gerade durch die unklare Gesetzgebung ist es nicht verkehrt, sich mit einer Dokumentation zusätzlich abzusichern.
Paul ist Geschäftsführer der hsp und derjenige, der die Klappe hält. Seine Top-Themen: Medienbrüche mittels Software abschaffen. Verfahrensdokumentation, IKS, TCMS und weitere Compliance Themen. Sein aktuelles Projekt: Verrechnungspreisdokumentationen ohne Medienbrüche erstellen. Mittels Taxonomie.