Eine Verfahrensdokumentation ist bei der Betriebsprüfung Pflicht. Trotzdem sollte das der allerletzte Grund sein, eine saubere Verfahrensdokumentation nach GoBD abzuliefern. Denn dem Prüfpersonal ist es völlig egal, ob eine Doku vorliegt – wenn ja, prima, wenn nicht, gibt’s Ärger. Sinn und Zweck der Verfahrensdokumentation ist, dass Unternehmen von ihr profitieren und sich besser aufstellen. Davon wiederum profitiert natürlich die Steuerberatung. Welche konkreten Mehrwerte gemeint sind und wie eine Verfahrensdokumentation in der Coronakrise Unternehmen helfen kann, wurde in der Podiumsdiskussion auf der virtuellen StB Expo 2021 deutlich.
Unter der Moderation von hsp-Geschäftsführer Paul Liese tauschten sich Steuerberaterin Mareike Schiersch, Steuerberater Armin Schiehser und Dr. Christopher Arendt, Fachanwalt für Steuerrecht, über die Digitalisierung und die Mehrwerte einer Verfahrensdokumentation aus – gerade im Hinblick auf die derzeitige Corona-Pandemie. Denn es zeigt sich deutlich: Kanzleien und Unternehmen, die ihre Arbeitsabläufe bereits digitalisiert haben, kommen viel stabiler durch die Krise.
In den drei Kanzleien der Diskutierenden war die Digitalisierung bereits vor der Pandemie ein Thema. Armin Schiehser hat die Digitalisierung und Prozessdokumentation bei seinen Mandant:innen bereits fast vollständig vollzogen. Mareike Schiersch und Christopher Arendt waren im Vorfeld der Krise noch nicht so weit, hier war die Pandemie Anstoß für einen stärkeren Fokus auf dieses Arbeitsfeld. Im Rahmen der Steuer- und Unternehmensberatung setzen die Kanzleien nun auf die Dokumentation der Prozesse und die Digitalisierung – auch in den Kanzleien selbst. Während der Pandemie stellt sich dabei ein großer Vorteil heraus: Mitarbeiter:innen können flexibel und auch remote arbeiten. Das Weiterarbeiten ist somit auch unter den Beschränkungen, die die Krise vielerorts mit sich bringt, möglich.
Mandant:innen von Verfahrensdokumentation überzeugen
Zu Beginn ist es aber oft gar nicht so einfach, die Mandant:innen von der Digitalisierung und der Verfahrensdokumentation zu überzeugen. Mareike Schiersch setzt hierbei auf individuelle Beratung, in der sie ihren Mandant:innen den Nutzen einer solchen Dokumentation aufzeigt. „In einem Fall hatte ein Mandant am Anfang noch eine starke Abwehrhaltung dem Thema gegenüber“, erzählt die erfahrene Steuerberaterin. „Während der Prozessaufnahme stellte er aber fest: Wenn wir das anders machen, habe ich mehr Zeit, um mich um mein eigentliches Geschäftsfeld zu kümmern, und im Zweifel dann auch mehr Geld.“
Christopher Arendt ist hier eher pragmatisch und macht seinen Mandant:innen deutlich, dass eine Verfahrensdokumentation inklusive Internem Kontrollsystem einfach eine gesetzliche Verpflichtung und kein Wahlrecht ist. Erst im Anschluss zeigt er auf, welche betriebswirtschaftlichen Mehrwerte die Dokumentation mit sich bringt – wie eine Steigerung der Effizienz und die Vermeidung von Zuschätzungen bei der Betriebsprüfung.
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Armin Schiehser nimmt mittlerweile keine Mandant:innen mehr an, die die Digitalisierung nicht umsetzen möchten. Bereits bei Mandatsannahme erstellt er eine Prozessdokumentation und sagt: „Das ist für mich eine Grundsatzfrage: Wie optimiere ich ein Mandat bei der Übernahme gleich zu Beginn und wie mache ich dem Mandanten deutlich, was bei ihm bisher alles suboptimal gelaufen ist?“ Hierzu muss die Steuerberatung die einzelnen Prozesse im Unternehmen kennen, wissen, mit welcher Software gearbeitet wird und herausfinden, ob alles GoBD-konform abläuft. Für die Steuerberatung und ihre Mandant:innen bedeutet dies zwar einen Mehraufwand – aber eben nur einmalig. Im Nachgang profitieren die Mandant:innen dann von optimierten und auch automatisierten Prozessen: wenn beispielsweise für den Jahresabschluss die Buchhaltungsdaten automatisch weitergenutzt werden können und nicht mehr händisch übertragen werden müssen. Oder wenn die Betriebsprüfung dank einer vollständigen Verfahrensdokumentation reibungslos abläuft. Hier hat Schiehser ebenfalls ein Fallbeispiel parat: Die steuerliche Außenprüfung bei einem Mandanten lief innerhalb von nur drei Wochen ab, für vier Jahre wurde gerade mal eine Nachzahlung von 300 Euro fällig.
Wandel in den Steuerkanzleien
Die ganzheitliche Beratung der Mandant:innen ist die neue Stoßrichtung der Steuerkanzleien. „Der Berufszweig ist einem Wandel ausgesetzt“, macht Christopher Arendt deutlich. „Um die Digitalisierung, auch in der eigenen Kanzlei, kommt man nicht mehr herum.“ In seiner Kanzlei gibt es bereits eine sogenannte Zukunftswerkstatt, in der ein Team eine Strategie für zukünftiges, voll digitalisiertes Arbeiten entwickelt.
Auch Armin Schiehser sieht diesen Wandel: der Bereich Buchhaltung wird in Steuerkanzleien immer kleiner, das Feld Digitalisierungsberatung immer größer. Auch den eigenen Mitarbeiter:innen müssen Kanzleien in dieser Hinsicht eine Perspektive bieten: „Das Personal braucht eine Aufgabe, die es in zehn Jahren auch noch gibt“, so Armin Schiehser.
Mareike Schiersch stimmt hier ebenfalls zu und macht deutlich: „Unsere Mandanten sind von dem umfassenden Service begeistert.“ Um diesen zu bieten, müssen aber auch die internen Prozesse in der Kanzlei umgestellt werden. Jüngeren Mitarbeiter:innen fällt dies in der Regel leichter. Neue Angestellte brauchen mittlerweile nicht mehr zwingend einen steuerlichen Hintergrund. „Sie müssen Lust auf die Aufgabe haben, innovativ denken und zur Kanzlei passen“, sagt die Steuerberaterin. Das sieht auch Armin Schiehser so: „Wir brauchen EDV-affine Mitarbeiter, die ein Verständnis für Prozesse haben.“
Drei Bausteine: Prozessdokumentation, Verfahrensdokumentation und Tax Compliance
Der Bereich Tax Compliance wird zukünftig ebenfalls wieder stärker in den Vordergrund rücken, meint Christopher Arendt: „Der Hype ist in den letzten zwei bis drei Jahren etwas zurückgegangen, aber das wird wieder kommen“, nämlich dann, wenn der aktuelle Gesetzesentwurf zum Unternehmensstrafrecht in Kraft tritt. Das originäre Ziel dieses Gesetzes ist es nämlich, Unternehmen dazu zu bringen, ein Tax Compliance Management System zu implementieren und sich somit selbst zu kontrollieren. Ein wichtiger Nebeneffekt: Ist ein Tax Compliance Management System vorhanden, können Unternehmen durch Aufzeigen des guten Willens eventuelle Strafen um die Hälfte reduzieren. Wichtig für Unternehmen ist auch, dass sie sich nicht der juristischen Verantwortung entziehen können, nur weil sie die Buchhaltung in eine Steuerkanzlei auslagern.
Als Grundlage für ein Tax Compliance Management System bedarf es einer Prozessdokumentation. In dieser erfolgt stets ein Abgleich von Soll- und Ist-Prozessen. Sind die Prozesse ausgemacht und aufgezeichnet, können dann an jedem einzelnen die Chancen und Risiken festgemacht werden. „Das sind einzelne Bausteine“, erklärt Armin Schiehser. „Erst erfolgt die Systemaufnahme, dann die Verfahrensdokumentation, dann die Tax Compliance.“ „Die Übergänge sind hierbei aber fließend“, ergänzt Christopher Arendt.
Ratschläge für angehende Digitalisierungsberater:innen
Für Steuerkanzleien, die zukünftig ebenfalls verstärkt auf die Bereiche Prozess- und Digitalisierungsberatung setzen möchten, haben Mareike Schiersch, Armin Schiehser und Christopher Arendt grundlegende Tipps: in der Kanzlei selbst ein entsprechendes Team aufbauen und das passende Werkzeug finden, sprich: eine zukunftsfähige, etablierte und flexible Softwarelösung. Abgesehen von der Software ist es heute wichtiger denn je, auf Herstellerseite einen Partner zu finden, der nicht nur das System bereitstellt, sondern auch beratend zur Seite steht und Steuerkanzleien durch die ersten Projekte begleitet.
Paul ist Geschäftsführer der hsp und derjenige, der die Klappe hält. Seine Top-Themen: Medienbrüche mittels Software abschaffen. Verfahrensdokumentation, IKS, TCMS und weitere Compliance Themen. Sein aktuelles Projekt: Verrechnungspreisdokumentationen ohne Medienbrüche erstellen. Mittels Taxonomie.