Im Interview mit Lars Rinkewitz von der Ecovis KSO
Lästige Pflichtaufgabe oder spannende Chance? Die Meinungen über die Verfahrensdokumentation gehen bei seinen Mandanten weit auseinander, so Steuerberater Lars Rinkewitz von der ECOVIS KSO. Der Diplom-Kaufmann weiß aus Erfahrung, dass seine Mandanten nicht in Jubelstürme ausbrechen, wenn es um Auflagen und Wünsche von Behörden geht.
Im Interview mit Paul Liese erzählt Lars Rinkewitz von seinen Erfahrungen, ob und wie seine Mandanten die Verfahrensdokumentation annehmen. Dabei ist ihm besonders wichtig, dass er seinen Mandanten einen tatsächlichen Mehrwert bietet. Und er stellt fest, dass die einen Mandanten einfach nur froh sind, wenn die Verfahrensdokumentation vorbei ist, während die anderen immer mehr wissen und optimieren wollen.
Paul Liese: Wir sind heute zu Gast bei der Firma ECOVIS KSO Treuhand- und Steuerberatungsgesellschaft mbH & Co. KG in Düsseldorf und unterhalten uns heute mit Thomas Müller, mit Lars Rinkewitz und nachher noch mit Alexander Himmelmann zum Thema Verfahrensdokumentation. Wann habt ihr mit dem Thema angefangen?
Lars Rinkewitz: Wir haben damit im letzten Jahr angefangen. Ich bin seit dem 1. April bei ECOVIS KSO als erster im Team gewesen – ein neu gegründetes Team. Da haben wir den großen Startschuss gelegt; das, was vorher gemacht wurde, aufgegriffen und letztendlich dann stark weiterentwickelt.
Paul Liese: Was war die Erwartungshaltung, als ihr damit angefangen habt?
Lars Rinkewitz: Die Erwartungshaltung war, dass wir auf der einen Seite die Pflichtvorgaben, die die Finanzverwaltung uns stellt, erfüllen mit dem Thema Verfahrensdokumentation. Auf der anderen Seite wollten wir immer auch zusätzlichen Nutzen für unsere Mandanten liefern. Das heißt, wir wollten insbesondere erreichen, dass es einen Mehrwert für unsere Mandanten gibt. Dass nicht nur eine Pflicht erfüllt wird, sondern dass der Mandant aus Effizienzgesichtspunkten etwas davon hat. Dass man sich einmal die ganzen Prozesse anschaut, sie optimiert, und da eine echte Hilfestellung bieten kann, um unserer Berufung als Berater auch gerecht zu werden.
Paul Liese: Und dann haben die Mandanten euch das Produkt aus den Händen gerissen? Oder gab es Einwände?
Lars Rinkewitz: Es gab natürlich auch Einwände, insbesondere um eine Erfüllung einer zusätzlichen Pflicht, die auch Geld kostet. Letztendlich machen wir das natürlich auch gegen Entgelt. Das heißt, wir werden am Ende des Tages auch eine Honorarrechnung stellen. Aber es muss eine gesetzliche Verpflichtung der Finanzverwaltung erfüllt werden. Das größte Hemmnis ist neben dem Honorar, was am Ende für uns rauskommt, auch der Mehraufwand des Mandanten, denn es ist immer eine Teamarbeit. Wir können nicht alleine für unsere Mandanten eine Verfahrensdokumentation erstellen, sondern wir sind auf die Mithilfe des Mandanten angewiesen. Der Mandant muss Informationen liefern, er muss sich mit seinen eigenen Strukturen beschäftigen, und ist dann natürlich aus seinem eigenen operativen Geschäft raus. Das heißt, er muss sich die Zeit nehmen, muss Mitarbeiter dafür vielleicht freistellen, er muss zusätzliche Aufgaben erfüllen. Das ist noch ein weiteres Hemmnis gewesen. Ein anderes Hemmnis war, dass unsere Mandanten ganz am Anfang gar nicht wussten, was auf sie zukommt – also die Scheu vor dem Neuen musste überwunden werden. Die konnten wir dann nehmen durch Gespräche, durch das Zeigen, wie das funktioniert, durch Mithilfe, aber das war natürlich auch eine große Schwierigkeit.
Paul Liese: Was war der größte Blocker bei dem Thema Verfahrensdokumentation? Was war das Größte, was man überwinden musste – nicht als Hemmnis für den Mandanten, sondern generell von der Methodik, Umsetzung?
Lars Rinkewitz: Operativ ist der größte Blocker immer, an die Informationen zu kommen. Letztendlich lebt die Verfahrensdokumentation davon, dass die Informationen vom Unternehmer und den Mitarbeitern kommen. Und diese Informationen zeitgerecht, sachgerecht, plausibel in Gänze zusammenzuführen ist der größte Blocker insgesamt. Wenn wir die Informationen haben, funktioniert und läuft es. Aber bis dahin die Informationen zusammenzukriegen ist der größte Blocker.
Der Steuerberater als Motivator
Paul Liese: Und was habt ihr gemacht, um diesen Blocker zu überwinden?
Lars Rinkewitz: Wir verstehen uns da jetzt als Moderator. Am Anfang haben wir gesagt, wir arbeiten Checklisten-basiert, sodass wir mit dem Mandanten einfach nur Checklisten durchgehen oder dem Mandanten die Checklisten übergeben und die Informationen sammeln. Aber mittlerweile verstehen wir uns da eher als Moderator, als Antreiber, um den Mandanten zu führen, ihn an die Hand zu nehmen. Zu sagen: „Das und das brauchen wir und die Informationen sind unbedingt notwendig. Wie kommst du an die Informationen, lieber Mandant?“ Es ist eine enge Führung, Moderation, nicht alleine lassen; so kriegen wir das gemeinsam hin.
Paul Liese: Also eigentlich die zwei M: Moderation und Motivation.
Lars Rinkewitz: Korrekt.
Paul Liese: Und hat jetzt die Erstellung der Verfahrensdokumentation für den Mandanten einen Mehrwert bedeutet in den Projekten, die ihr jetzt gemacht hat?
Lars Rinkewitz: Definitiv. Der Mehrwert folgt daraus, dass der Unternehmer sich vielleicht zum ersten Mal überhaupt mit seinem Unternehmen beschäftigt. Das heißt, er kümmert sich nicht nur um die operativen Abläufe usw., sondern er beschäftigt sich mit der Struktur im Unternehmen. Mit den Prozessen. Er sieht vielleicht das erste Mal, was wirklich passiert. Was machen wir überhaupt? Machen wir Arbeit vielleicht doppelt und dreifach? Kann man das nicht anders strukturieren, anders organisieren? Wir haben Mandanten, die sagen: „Wir sind schon gut aufgestellt, aber es ist schön, dass noch jemand Drittes mit darüber guckt. Dass jemand mit einem fachlichen Auge einfach noch einmal die Prozesse analysiert, und uns sagt, wie wir es besser machen können.“ Wir finden auch immer wieder, dass wir Risiken aufdecken. Das Thema Datenschutz z.B. ist eine ganz wichtige Geschichte. Da sind doch viele Unternehmer und Unternehmen noch nicht so weit, dass man sagen kann, alle datenschutzrechtlichen Vorgaben sind erfüllt. Und da können wir eine Hilfestellung leisten. Darüber hinaus können wir auch Risiken, was das Interne Kontrollsystem angeht, aufdecken. Wir sagen, wir müssen die ein oder andere Kontrolle noch einführen, Sicherheitskonzepte einführen, Zutritts- und Zugriffsregelungen schaffen, ein Berechtigungskonzept für die Zugänge im EDV-System, auf dem Server usw. Darüber hinaus können wir aber auch ganz neue Prozesse implementieren, um vielleicht neue Strukturen zu schaffen. Und das alles in Gänze bietet einen Mehrwert für den Mandanten, dass er eben nicht nur diese gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt, sondern wirklich etwas da rausnimmt, was sich auch ständig fortentwickelt.
Paul Liese: Wenn die Mandanten die Verfahrensdokumentation am Ende von euch bekommen – als Dokument, PDF, wie auch immer –, ist dann das Gro der Mandanten eher happy und freut sich über die Erkenntnisse, oder wird das einfach nur zur Kenntnis genommen, in die Schublade gepackt, gesetzliche Verpflichtungen oder Vorschriften der Finanzverwaltung erfüllt?
Lars Rinkewitz: Das ist komplett unterschiedlich. Die einen sind einfach nur froh, dass es vorbei ist. Die anderen heften das wirklich nur ab und wischen sich die Schweißperlen von der Stirn. Andere sind wirklich recht froh und leben den Prozess dann auch im Nachgang weiter. Die Verfahrensdokumentation ist fertiggestellt, danach werden dann noch Fragen gestellt: Können wir für die nächste Revision der Verfahrensdokumentation das ein oder andere noch ergänzen? Können wir es erweitern? Können wir vielleicht aus der Verfahrensdokumentation heraus noch weiter ins Interne Kontrollsystem hineingehen, noch mehr dokumentieren? Können wir daraus Arbeitsanweisungen entwickeln? Können wir vielleicht ein Text-Compliance-Management-System noch irgendwie draufsetzen als Spitze, insbesondere bei größeren Gesellschaften? Die Reaktionen sind also ganz unterschiedlich. Und es bleibt spannend, zu warten, wie es in diesem Thema weitergeht, wie auch die Fortentwicklung da ist.
Paul Liese: Es gab aber keinen Mandanten, der gesagt hat, „das hat sich nicht gelohnt, hätte ich das bloß nicht gemacht“?
Lars Rinkewitz: Nein, diese Aussage habe ich noch nicht gehört.
Paul Liese: Das ist doch gut. Jetzt verwendet ihr ja für die Erstellung der Verfahrensdokumentation eine Software, auf die möchte ich jetzt gar nicht so eingehen. Aber welche Rolle hat der Softwarehersteller aus eurer Sicht? Und wie werdet ihr unterstützt?
Lars Rinkewitz: Die Software unterstützt uns in mehreren Punkten. Auf jeden Fall unterstützt uns die Software durch eine klar vorgegebene Taxonomie, dass wir einen Leitpfaden an die Hand bekommen. Welche Dinge sind notwendig und wichtig für eine Verfahrensdokumentation. Die Software unterstützt uns auch darin, dass wir nicht auf einer grünen Wiese mit irgendeinem Word-Dokument arbeiten müssen. Die Software unterstützt uns dahingehend, dass wir auch die Verfahrensdokumentation an sich revisionssicher erstellen können. Die Finanzverwaltung legt ja einen großen Fokus auf das Thema Revisionssicherheit, insbesondere was die Revisionssicherheit angeht von eigenen Rechnungen, die geschrieben werden, die revisionssicher abgelegt werden müssen, die Revisionssicherheit der Kassenbuchführung, aber eben auch die Revisionssicherheit der Erstellung der Verfahrensdokumentation, das nachvollziehen zu können. Und da ist es natürlich unerlässlich, dass man das softwaretechnisch abwickelt und dort hilft uns die Software ungemein. Und ohne diese Software könnten wir das auch gar nicht so anbieten.
Opti.Tax – schnell und effektiv
Paul Liese: Das wollte ich gerade fragen. Wenn du mal jetzt so zurückblickst auf das letzte Jahr, auf die Projekte, die ihr gemacht habt, und ihr hättet die nicht mit der Software gemacht, sondern mit Textverarbeitung, wäre das machbar gewesen?
Lars Rinkewitz: Es wäre vielleicht machbar gewesen mit viel, viel, viel mehr Aufwand, aber eben nicht in der Gänze, in der Schnelligkeit, in der Effektivität, und insbesondere im Rahmen der Revisionssicherheit nicht mit der sicheren Abwicklung am Ende. Das wäre unmöglich gewesen.
Paul Liese: Dann interessiert unsere Zuschauer auch immer, ob so etwas schon irgendwann einmal in einer Betriebsprüfung vorgelegt wurde. Und wenn ja, was war das Ergebnis?
Lars Rinkewitz: Die Situation gab es schon mal. Die Aussage eines Betriebsprüfers war: „Das ist in Ordnung und wird so akzeptiert.“ Man muss natürlich wissen, dass verschiedene Betriebsprüfer verschiedene Auffassungen haben können, weil der Rahmen nicht so starr gesetzlich festgelegt ist. Aber die Aussage, die wir von den Betriebsprüfern bekommen haben, ist, dass das in Ordnung ist und so akzeptiert wird und es keine Einwände gibt. Und das ist für uns ein sicheres und gutes Zeichen, dass das, was wir machen und wie wir es machen, richtig und gut ist.
Paul Liese: Jetzt ist es ja bei euch hier in Nordrhein-Westfalen ja besonders speziell. Ihr habt so einen fünfseitigen Fragebogen nur zur Verfahrensdokumentation in der Betriebsprüfung. Da werden dann ganz viele Haken gemacht. Das heißt, der Qualitätsanspruch einer Verfahrensdokumentation ist gerade hier in diesem Bundesland besonders hoch. Von daher finde ich es gut, dass diese verhaltene Aussage kommt. Mehr kann man auch nicht erwarten von der Finanzverwaltung. Die werden jetzt nicht eine 1+ da reinschreiben, sondern die werden sagen: „Das ist okay. Es wird akzeptiert. Es steht alles drin.“
Welche Empfehlung hast du für andere Teams, die jetzt davorstehen, das Thema anzugehen, vielleicht strategisch oder weil die Mandanten auf sie zukommen? Gibt es irgendeine Empfehlung, die du Berufskollegen mit auf den Weg geben möchtest?
Lars Rinkewitz: Eine dringende Empfehlung ist, dieses Thema nicht nebenher und nebenbei anzugehen. Man muss sich schon darauf konzentrieren. Wenn man Mitarbeiter abzieht, um ich sag mal 20 % der Zeit freizustellen, um das Thema Verfahrensdokumentation anzugehen, haben wir die Erfahrung gemacht, dass das nicht funktioniert. Letztendlich muss man sich darauf fokussieren: wir haben hier ein Team, was sich ausschließlich um das Thema Verfahrensdokumentation/Text-Compliance/Kasse/GoBD kümmert. Das ist unerlässlich, um sich dem Thema richtig zu nähern und es richtig anzugehen. Weil alles andere wird zum Scheitern verurteilt sein, einmal um die Erfahrung zu sammeln, um das Ganze abzuwickeln und um halt auch Erfahrungswerte zu haben, um dem Mandanten einen Mehrwert zu bieten. Es soll ja bei uns Beratern letztendlich nicht um die reine Abwicklung gehen, sondern um das Nach-vorne-Denken, um zu beraten, um einen Ansatz zu wählen, wovon der Mandant auch etwas hat. Und das geht nicht nebenher, das geht nur in Fulltime.
Paul Liese: Ja, sehr schön. Vielen Dank für das Interview.
Lars Rinkewitz: Gerne.
Paul Liese: Hast du noch Fragen an mich?
Lars Rinkewitz: Im Moment nicht.
Paul ist Geschäftsführer der hsp und derjenige, der die Klappe hält. Seine Top-Themen: Medienbrüche mittels Software abschaffen. Verfahrensdokumentation, IKS, TCMS und weitere Compliance Themen. Sein aktuelles Projekt: Verrechnungspreisdokumentationen ohne Medienbrüche erstellen. Mittels Taxonomie.