Wenn Unternehmen wachsen, entwickeln sich die Prozesse nach und nach, Schritt für Schritt. Viele Unternehmen vernachlässigen dabei, notwendige Schutzmechanismen zu entwickeln. Irgendwann existiert ein organisch gewachsenes Unternehmen, das keine Sicherheitsnetze in ihre Abläufe eingebaut hat. Dabei kann ein fehlendes Internes Kontrollsystem (IKS) ernsthafte Konsequenzen zur Folge haben. Im Gespräch mit Paul Liese verrät der ausgebildete Steuerfachangestellte und IKS-Berater Viktor Rebant aus seiner alltäglichen Arbeit. Zudem zeigt er Mehrwerte und Chancen für Steuerberatungen und Mandanten auf.
Die Ursprünge des IKS kommen aus den Vereinigten Staaten. Im Grunde wurden die Prinzipien vom deutschen Gesetzgeber übernommen und angepasst. Besonderes Augenmerk liegt auf der Frage: Vorsatz oder Leichtfertigkeit? Liegt ein Fehler vor, interessiert sich die Finanzverwaltung erst einmal sehr dafür, ob reine Absicht vorliegt oder nur ein Versehen. Wenn das betroffene Unternehmen ein funktionierendes IKS speziell in dem Bereich Rechnungslegung und Steuerwesen besitzt, bewertet die Behörde den Fall eher zugunsten des Unternehmens.
Zudem erhöht das IKS die Wahrscheinlichkeit, die Ursachen des Fehlers sowie die Verantwortlichkeiten ausfindig zu machen. Grundsätzlich geht es also darum, das Unternehmen zu schützen. Das Interne Kontrollsystem ist praktisch unverzichtbar, um innerhalb komplexer Abläufe in einem Unternehmen die konkreten Verantwortlichkeiten zu identifizieren. Wer trägt die Verantwortung, wenn etwas passiert – und wer trägt kein Verschulden? Auch das ist ein wichtiger Punkt, um das Vertrauen in die Belegschaft sowie innerhalb des Teams zu festigen. bzw. zu erhalten.
Was ist ein IKS-System?
Ein IKS-System (Integriertes Kommunikationssystem) ist ein System, das verschiedene Kommunikationsfunktionen integriert und sie über eine gemeinsame Plattform bereitstellt. Ein IKS-System kann beispielsweise eine Vielzahl von Funktionen wie E-Mail, VoIP-Telefonie, Instant Messaging, Videokonferenzen, Webkonferenzen und gemeinsame Arbeitsbereiche integrieren und es den Benutzern ermöglichen, auf diese Funktionen von einer einzigen Plattform aus zuzugreifen.
Ein IKS-System kann dazu beitragen, die Kommunikation innerhalb eines Unternehmens oder einer Organisation zu vereinfachen und zu rationalisieren. Es kann auch dazu beitragen, die Zusammenarbeit zwischen den Benutzern zu verbessern und die Effizienz der Arbeitsprozesse zu steigern. Ein weiterer Vorteil eines IKS-Systems besteht darin, dass es in der Regel einfacher zu verwalten und zu warten ist als mehrere separate Kommunikationssysteme.
Einblicke in die Praxis
Aus Angestelltensicht wird nicht selten das IKS als Managementmaßnahme gedeutet. Allerdings ist das IKS nicht nur für die Leitung des Unternehmens wichtig, sondern auch für jede einzelne Person in einem Unternehmen. Deshalb achtet Viktor Rebant in seiner Arbeit als IKS-Berater nicht nur darauf, Prozesse zu erfassen und Schwachstellen aufzudecken. Auch andere Fragen werden gestellt, etwa: Wie werden die Mitarbeiter:innen geschult? Wie wird mit dem Lager umgegangen? Alles hängt miteinander zusammen.
Vieles klingt für IKS-Neulinge abstrakt. Ein ganz einfaches Beispiel eines IKS erleben wir alle im Alltag, wenn wir einen Artikel zurückgeben wollen und eine zweite Person an die Kasse kommt. Es gibt Kontrollsysteme, auch einfache, um Personen und Prozesse abzusichern. Als IKS-Berater muss man die Branche kennen, die man berät – sonst wird es schwierig, sich in die Prozesse hineinzudenken und Handlungsempfehlungen auszusprechen. Dazu gehört auch die Beschäftigung mit Datenverarbeitungssystemen.
Denn eine organisatorische Kontrolle ist völlig sinnlos, wenn diese technisch ausgehebelt werden kann. Einfaches Beispiel: Es wird in einem großen Warenlager die permanente Inventur genutzt. Das System gibt täglich eine Liste aus, damit die Bestände abgeglichen werden können. Dabei soll allein der Inhaber Fehlbestände manuell buchen können. Haben allerdings auch noch andere Personen Zugriff auf das System, greift die organisatorische Maßnahme nicht mehr. Dies kann allein durch die technische Einschränkung der Zugriffmöglichkeit auf den Inhaber sichergestellt werden.
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An anderer Stelle erzählt Viktor Rebant von einem Fall, wo eine Mitarbeiterin sich jährlich aus der Kasse bedient und den Vorgang erfolgreich verschleiert hat. Das bedeutet nicht, dass nur noch Misstrauen das unternehmerische Handeln beherrschen soll. Ein Internes Kontrollsystem soll Klarheit schaffen, Verantwortlichkeiten klären und auch Angestellte vor falschen Verdächtigungen schützen. Letztendlich können IKS-Berater ihre Beratungsqualität nur durch dieses Fachwissen gewährleisten. Rebant hat sich dieses Wissen ganz profan draufgeschafft: durch das Lesen von Handbüchern.
In diesem Zuge erwähnt Rebant das Thema Kasse, das durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen (Kassengesetz) immer wichtiger wird. Was viele nicht wissen ist, dass viele Ärzt:innen in den sachlichen Anwendungsbereich kommen. Ordnungsgemäße Kassenführung wird damit für Praktizierende von Heilberufen wie Ärzte, Zahnärztinnen, Physiotherapeuten usw. zur Pflicht. Darauf, so Rebant, sind die Softwareanbieter noch nicht eingerichtet. Die fehlende Berücksichtigung der GoBD-Anforderungen oder der Kassensicherungsverordnung wird zwangsläufig zu Problemen bei der nächsten Betriebsprüfung führen.
IKS-Mehrwerte für Mandanten
IKS bedeutet immer auch Prozessoptimierung. Unter anderem schützt der Mandant seine Ressourcen. Dabei sagt Viktor Rebant, dass er bei jeder Beratung jemanden findet, der „ins Warenlager greift“. Kassendifferenzen, ob groß oder klein, sind nach der Implementierung von IKS-Maßnahmen verschwunden. In einem Fall wurde innerhalb eines Unternehmens dreimal unabhängig voneinander ein Kassenbuch geführt. Die Ursachen konnten nicht mehr identifiziert werden, das Ergebnis allerdings war Zeit- und Geldersparnis beim Mandanten.
Aber wie geht Viktor Rebant vor, wenn eine IKS-Beratung ansteht? Zunächst wird ein Termin vor Ort vereinbart. Dann arbeitet er einen Leitfaden durch, zusätzlich ergeben sich im persönlichen Gespräch weitere Themen. Anschließend erstellt er in der Kanzlei einen Kontrollbericht von 30 bis 40 Seiten mit Handlungsempfehlungen. Einige Zeit danach erfolgt ein nachgelagerter Re-Check, um zu überprüfen, ob die notwendigen Maßnahmen beim Mandanten umgesetzt wurden.
Zusätzliche Motivation für ein IKS: die IKS-Beratung ist förderfähig und wird vom BAFA gezuschusst – von 50 % bis zu 80 % in einzelnen Fällen. Das BAFA zeigt sich dabei gesprächsbereit, offen und gewissenhaft.
Internes Kontrollsystem als neues Geschäftsfeld
Das Thema IKS birgt naturgemäß neue Geschäftsfelder für Steuerberatungen. Denn niemand kennt das Unternehmen und dessen Zahlen besser. Mit verhältnismäßig wenig Aufwand können Steuerbüros und Kanzleien dieses Geschäftsfeld für sich erschließen. Um als IKS-Beratung tätig zu werden, wird weder ein langwieriges Studium noch eine jahrelange Ausbildung benötigt. Das Wissensfundament ist in den Kanzleien meistens schon vorhanden. Steuerfachangestellte, die sich für Prozesse interessieren und sich einarbeiten können, können den Bereich relativ schnell umfassend abdecken.
Um als IKS-Berater:in eine hohe Beratungsqualität anbieten zu können, ist es wichtig, sich theoretisches Wissen anzueignen. Dabei sollte sich eine Person auf eine oder bestimmte Branchen spezialisieren. Als Lektüre empfiehlt Rebant das Buch „Handbuch Interne Kontrollsysteme (IKS)“ von Dr. Oliver Bungartz. Alternativ können in Kürze E-Learning-Kurse in der hsp Community gebucht werden.
Hört euch hier den ganzen Talk in unserem Podcast Opti.Cast an:
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Paul ist Geschäftsführer der hsp und derjenige, der die Klappe hält. Seine Top-Themen: Medienbrüche mittels Software abschaffen. Verfahrensdokumentation, IKS, TCMS und weitere Compliance Themen. Sein aktuelles Projekt: Verrechnungspreisdokumentationen ohne Medienbrüche erstellen. Mittels Taxonomie.