Die Umsetzung der Grundsteuerreform befindet sich auf den Zielgeraden. Mehrere Monate lang hatten die Betroffenen Zeit, ihre Feststellungserklärungen zu erstellen und bei der Finanzverwaltung einzureichen. Oder nicht? Bald endet die Frist, trotzdem sind viele Fragen ungeklärt. Quo vadis, Finanzverwaltung? Waldemar Krause, Steuerberater bei der Treuhand Hannover, hat sich intensive Gedanken zu den Unklarheiten rund um die Grundsteuer gemacht. Wie wird es weitergehen? Was ist mit den ungelösten Hindernissen, die nach wie vor existieren?
Waldemar Krause ist einer der vielen Steuerberaterinnen und Steuerberater in Deutschland, die sich aktuell mit der Grundsteuerreform beschäftigen. Er möchte heute stellvertretend die Fragen stellen, die bei seinen Kolleginnen und Kollegen rund um die Umsetzung der Reform aufgekommen sind. Insbesondere nennt Waldemar dabei die Zukunft der Grundsteuerreform: Was passiert genau nach Fristende oder nach der Abgabe der Feststellungserklärung?
Die erste Frage möchte Paul ins Gespräch bringen. Stichwort § 164 AO: Was mache ich, wenn ich den Steuerbescheid von der Finanzverwaltung bekomme? In einigen Bundesländern werden diese bereits verschickt. Waldemar sieht den § 164 als Rettungsanker, denn während der Festsetzungsfrist kann diese noch geändert werden. Hier stellt sich die Frage, ob Widerspruch eingelegt werden soll oder nicht. Darum geht es dann, wenn die Steuer zu hoch angesetzt wurde. Das Problem ist, dass die Festsetzung der Steuer erst am 1.1.2025 erfolgt. Da niemand in die Zukunft sehen kann, bestehen durchaus Zweifel, ob das Ganze so verfassungskonform ist.
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Grundsteuerreform verfassungsrechtlich problematisch
Fakt ist, dass das aktuell zur Anwendung kommende System sehr pauschal aufgebaut ist. Dadurch werden einige Grundstücksbesitzer:innen automatisch benachteiligt sein. Beispielsweise hat Waldemar mal beim Gutachterausschuss in Niedersachsen angerufen, um zu erfragen, wie ein bestimmter Bodenrichtwert bestimmt wurde. Dort konnte man ihm aber nicht erklären, wie der Bodenrichtwert zustande gekommen ist. Dies sieht Waldemar als problematisch an, schließlich handelt es sich um einen der wichtigsten Faktoren bei der Berechnung des Grundsteuerwerts.
Gibt es also Abweichungen, wird pro forma Einspruch eingelegt, damit die Frist gewahrt bleibt. Dabei kann die Begründung später erfolgen. Stand heute kann Waldemar seinen Mandaten nicht sagen, wie hoch letztlich die Grundsteuer sein wird. Wie genau verfahren werden soll, steht auch bei Waldemar und
seinen Kolleginnen und Kollegen noch nicht fest. Als Beispiel vergleicht er aktuelle Grundstücke in Top- und schlechter Lage. Auf der einen Seite beträgt der Bodenrichtwert 20.000 Euro, auf der anderen vielleicht 400. Bei der Neuberechnung liegt die Toplage etwa beim Doppelten. Es war zu erwarten, dass die Höchstwerte sinken und die niedrigen Werte steigen. Doch viele Eigentümer:innen werden es nicht verstehen, wieso sie für eine schlechte Lage mehr Grundsteuer bezahlen sollen, während die Eigentümer:innen von Top-Grundstücken Geld sparen.
Paul hakt nach, ob Waldemar erwarte, dass vor Gericht nachverhandelt wird. Klare Antwort: Waldemar hofft sogar, dass Fälle vor Gericht landen. Denn nur Gerichtsurteile bieten ihm und seiner Branche Rechtssicherheit bei der Beratung. An dieser Stelle fragt Paul nach, was Waldemar von der Idee eines „Grundsteuer-Scanners“ in Opti.Tax halte. Dabei geht es um eine Funktion, die bei einem Grundstück die Möglichkeit bieten würde, verschiedene Szenarien und Fragen durchzuspielen. Beispielsweise könnte man schauen, wie sich das Grundstück mit einem anderen Berechnungsmodell verhalten würde. Auch können Grundbucheinträge unter der Abteilung II berücksichtigt werden. Ein benachbartes Grundstück kann etwa durch ein eingetragenes Wegerecht einen völlig anderen Wert haben. So kann die Steuerberatung dem Mandanten zeigen, ob sich ein Einspruch lohnen könnte.
Viele Szenarien, die von den Behörden vergessen wurden
Waldemar hat ebenfalls eine spannende Frage mitgebracht, die das Thema Kernsanierung betrifft. Wird ein Gebäude kernsaniert, wird es praktisch einem Neubau gleichgesetzt. Allerdings können nicht alle Eigentümer die finanziellen Mittel für die Gesamtsanierung auf einmal aufbringen. Also wird das Gebäude Stück für Stück über einen längeren Zeitraum saniert. Doch eine solche zeitliche Streckung sieht der Gesetzgeber nicht vor. Wie verhält es sich beispielsweise, wenn bei der Vollendung der Kernsanierung über einen längeren Zeitraum der zuerst sanierte Gebäudeteil bereits verbraucht ist? Hier wünscht sich Waldemar – wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen auch – Rechtssicherheit.
Eine solche Unsicherheit kennt Paul aus einem aktuellen Fall. Dabei ging es um ein 77.000 Quadratmeter umfassendes Grundstück mit mehreren Gebäuden, unter anderem einem Stadion. Wie wird das Stadion klassifiziert? Es gibt Sporthallen und dergleichen zur Auswahl, aber kein Stadion. Auch Waldemar weiß darauf keine Antwort, empfiehlt aber, an dieser Stelle in die offene Kommunikation mit der Finanzverwaltung zu gehen. Schließlich muss diese am Ende die Festsetzung vornehmen. Er kritisiert, dass ihm und seinen Kolleg:innen vier Monate zur korrekten Berechnung zur Verfügung gestellt werden, obwohl es noch so viele Unklarheiten gibt. Anschließend nimmt sich die Verwaltung ein Jahr Zeit für die Festsetzung. Daher sieht Waldemar Anrufe bei der Verwaltung als probates Mittel, Druck zu machen und die Behörden spüren zu lassen, dass es so nicht geht.
Waldemar geht auch von einer enormen Fehlerquote aus. Gerade Privatleute, die selbst die Feststellungserklärung erstellen, können sich nicht mit allen Details der Grundsteuerreform auskennen. Es gäbe sogar Steuerberater:innen, die sich nicht an die Thematik Grundsteuer wagen. Paul fragt, wer denn überhaupt die Fehler kontrollieren und aufdecken soll. Die Finanzverwaltung werde nicht in der Lage sein, in den zwei Jahren bis zur Festsetzung alle 36 Millionen Objekte nach Fehlern zu durchforsten.
Ein Ende des Chaos ist nicht in Sicht
Paul fragt, welches Datum bei der 15.000-Euro-Grenze zugrunde gelegt werden muss. Schließlich wird jetzt die Feststellungserklärung erstellt, aber die Festsetzung erfolgt erst am 1.1.2025. Waldemar antwortet, dass immer der letzte Hauptfeststellungszeitpunkt gilt – also der 1.1.2022. Aber was ist mit den Bodenrichtwerten, wenn diese 2024 aktualisiert werden? Bisher war der Abruf des Bodenrichtwerts kostenpflichtig. Für die Abgabefrist der Feststellungserklärungen im Zuge der Grundsteuerreform sind diese erstmals kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Wird dies in zwei Jahren wieder der Fall sein oder müssen Eigentümer:innen mit Kosten rechnen? Oder kümmert sich die Finanzverwaltung selbst darum, die Feststellungserklärungen mit den aktuellen Bodenrichtwerten zu erneuern?
Fazit des Gesprächs: Zu einer Mammutaufgabe wurden viele Hürden geschaffen, aber nicht alle Lösungen. Auch scheint es, als hätten die Behörden die Grundsteuerreform nicht bis ins Detail durchdacht. Wieso sie keinen intelligenteren Ablauf gewählt haben, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Die Realität wartet mit vielen Fragen auf, die wahrscheinlich teilweise vor Gericht geklärt werden müssen.
Paul ist Geschäftsführer der hsp und derjenige, der die Klappe hält. Seine Top-Themen: Medienbrüche mittels Software abschaffen. Verfahrensdokumentation, IKS, TCMS und weitere Compliance Themen. Sein aktuelles Projekt: Verrechnungspreisdokumentationen ohne Medienbrüche erstellen. Mittels Taxonomie.