Immer noch sind Mandanten, die ganz wild auf eine Verfahrensdokumentation sind, äußerst rar gesät. Kein Wunder, haben diese doch mehr als genug zu tun. Dabei gehört das Thema zu den Aufgaben, die immer mehr Arbeit verursachen, je länger sie aufgeschoben wird. Doch welche Argumente ziehen bei Mandanten wirklich? Wie sehen die messbaren Mehrwerte einer Doku aus? Und wer in der Kanzlei soll die anfallenden Aufgaben übernehmen? Darüber hat hsp-Chef Paul Liese mit Doku-Experte Sven Horak gesprochen, dem Geschäftsführer der vemeto GmbH.
Die vemeto GmbH hat sich auf das Thema Verfahrensdokumentation spezialisiert. Angefixt wurde dessen Gründer und Inhaber Sven Horak im Jahr 2019 durch seinen Steuerberater, der ihm die Dokumentationsthematik vorstellte. Was zunächst nur Neugier und Interesse war, hat sich inzwischen längst zu einer großen Leidenschaft entwickelt. Denn Sven sieht im Doku-Thema enormes Potenzial. Die Erfahrungen, die er nun in seinem Arbeitsalltag macht, bestätigen ihn.
Zu Beginn seiner Selbständigkeit musste er immer wieder Überzeugungsarbeit bei Kanzleien und Mandanten leisten. Die Doku sei nicht als Pflicht zu sehen, vielmehr sollte der Fokus auf den möglichen Mehrwerten für das Unternehmen liegen. Sven arbeitet üblicherweise für Kanzleien, indem er für deren Mandanten Dokumentationen erstellt. Einige Kanzleien starten die Zusammenarbeit mit der Erstellung einer eigenen Verfahrensdokumentation, um das Thema, Svens Arbeitsweise und die erforderlichen Prozesse kennenzulernen.
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Immer mehr Kanzleien erkennen das Potenzial
Sven stellt aber auch fest, dass über die vergangenen Jahre ein Umdenken beim Thema stattgefunden hat. Mittlerweile gehen viele Kanzleien auf ihre Mandanten zu, um die Verfahrensdokumentation nicht nur als Selbstschutz zu verkaufen. Zudem sehen die Kanzleien in der Doku die Möglichkeit, einmal sämtliche Schritte eines Belegs vom Eingang bis zur buchhalterischen Erfassung nachzuvollziehen. Darüber hinaus geht es nicht nur um die Belegablage, sondern um weitere Felder wie Lohnabrechnung, Spesenkostenabrechnung und insbesondere die IT-Infrastruktur.
Paul merkt an, dass der Fokus bei Betriebsprüfungen im Verständnis der unternehmerischen Prozesse liegt. Die Belegablage interessiert die Prüfer:innen zunächst einmal gar nicht. Sven ergänzt, dass die Prüfpersonen generell schon misstrauisch werden, wenn die beschriebenen Prozesse in der Dokumentation nicht denen in der Realität entsprechen. Eine solche Verfahrensdokumentation ist schon als Dokument wertlos, als Nachschlagewerk sowieso. Deshalb sieht Sven seine Arbeit in der Erzeugung eines betriebswirtschaftlichen Mehrwerts, nicht eines Dokuments.
Unternehmen müssen ihre IT-Systeme kennen
Paul fragt nach, was es mit der Dokumentation der IT-Infrastruktur auf sich hat. Sven antwortet, dass ein Teil davon selbstverständlich eine Hardware-Dokumentation sei. Darüber hinaus geht es darum, in welcher Art und Weise welche Softwaresysteme miteinander interagieren. Wie werden die Daten erzeugt bzw. übergeben? Welche Risiken bestehen bei der Übergabe eines Belegs von einem ins andere System?
Svens Erfahrung nach wissen viele Unternehmer:innen nicht, wie ihre IT-Prozesse ablaufen. Da stelle er sich die Frage, wie sie bei einer Betriebsprüfung plausibel erklären möchten, wie die eigenen Prozesse sauber und sicher laufen. Denn da geht es um Punkte wie Verlust, Manipulation, usw. Paul führt aus, dass Schnittstellen häufig ein Problem darstellen, wenn diese manche Werte nicht richtig übertragen. Sven bietet seinen Kund:innen deshalb die Datenanalyse als Dienstleistung an. Denn es reicht nicht, einfach nur anzugeben, dass Schnittstellen genutzt werden. Es muss erfasst werden, wie die Schnittstellen im Detail arbeiten.
Mit der Doku kommen viele Handlungsempfehlungen und Impulse
Die häufigste Reaktion auf seine Arbeit ist Staunen. Viele Entscheidungstragende meinen, alles liefe, bis sie mit der Dokumentation konfrontiert werden. Die Verdeutlichung und das Sichtbarmachen der Realität drängt die Inhaber:innen und Co. zum Handeln. Paul möchte wissen, wie lang eine Verfahrensdokumentation beim Experten effektiv dauert. Sven antwortet, dass er aktuell in etwa 20 Stunden für eine Dokumentation von A bis Z benötigt. Die benötigte Zeit habe sich aus mehreren Gründen verkürzt. Zum einen führt Sven die Erfahrungswerte an, die er mit den Jahren und Projekten gesammelt hat. Zum anderen werten die eingesetzten Werkzeuge immer effizienter. Mit der Unternehmensgröße habe der Zeitaufwand aber nichts zu tun. Große Unternehmen können prozessual viel sauberer und klarer aufgestellt sein und somit weniger Aufwände verursachen.
Zu seiner Leistung gehört nicht nur die Ist-Dokumentation. Auch eine Schwachstellenanalyse ist immer mit dabei. Zu jeder Schwachstelle werden die Ursachen identifiziert und Handlungsempfehlungen aufgestellt. Aber wie verkauft Sven seine Leistung an die Mandanten? Viele Kanzleien berichten über Schwierigkeiten, das Thema bei ihren Mandanten zu platzieren. Sven antwortet, dass viele Kanzleien versuchen, die Dokumentation als eine Art Versicherungsschein gegen einen vorhandenen Mangel zu verkaufen. Doch dies sei seiner Ansicht nach der völlig falsche Ansatz. Vielmehr gehe es darum, ein zentrales Handbuch über die Prozesse des Unternehmens zu schaffen. Dort könnten etwa neue Mitarbeitende auf einen Blick ihre Rolle im Unternehmen nachvollziehen.
In der digitalen Betriebsprüfung gewinnt die Verfahrensdokumentation an Gewicht
Ein weiterer Punkt ist Sven wichtig: Die Dokumentation ist kein Nebenbei-Thema. Häufig wird die Verfahrensdokumentation einer Person aus der Kanzlei zusätzlich auf den Tisch gelegt. Doch Svens Erfahrung zeigt, dass Mitarbeitende sich voll und ganz der Dokumentation widmen können müssen, um dem Thema gerecht zu werden. Der Arbeitsaufwand ist enorm. Doch wer soll diese Person sein? Eigentlich müsse die Person nur Neugier und Lust auf das Thema mitbringen, darin sind sich Paul und Sven einig.
Sven möchte von Paul wissen, wie er die Rolle der Verfahrensdokumentation bei der digitalen Betriebsprüfung sieht. Paul schätzt ein, dass die digitale Betriebsprüfung die Verfahrensdokumentation als Grundlage braucht, um überhaupt verständlich zu machen, in welcher Form die Daten für die Betriebsprüfung zur Verfügung gestellt werden. Dann spricht er an, dass die Prüfung der Nebensysteme immer wichtiger wird. Das bedeutet, die Vollständigkeit der Daten ist essenziell. Paul sieht als Primärziel für eine Verfahrensdokumentation nie die Betriebsprüfung. Stattdessen steht für ihn immer die Frage im Vordergrund, wie eine externe Expertise die eigenen Prozesse weiter optimieren kann.
Paul ist Geschäftsführer der hsp und derjenige, der die Klappe hält. Seine Top-Themen: Medienbrüche mittels Software abschaffen. Verfahrensdokumentation, IKS, TCMS und weitere Compliance Themen. Sein aktuelles Projekt: Verrechnungspreisdokumentationen ohne Medienbrüche erstellen. Mittels Taxonomie.