Weg von repetitiven Aufgaben, die irgendwann automatisiert werden – hin zu attraktiven Beratungsprojekten. Viele Steuerkanzleien haben genau das vor, allerdings fehlt das geeignete Personal. Denn viele der neuen Projekte liegen in neuen Berufsfeldern, etwa der Digitalisierungsberatung. Bringt da überhaupt das klassische Recruiting im Steuerbereich etwas? Oder müssen sich Kanzleien nicht viel mehr in anderen Berufsbereichen umsehen? Darüber sprach Paul Liese mit Martin Setnicka, Mitglied des Management Boards bei Taxelerate und Digitalisierungsexperte, in „hsp live um 11“.
Martin war jahrelang im österreichischen Finanzministerium tätig, bevor er ein eigenes Beratungsunternehmen gründete. Heute sitzt er im Management Board von Taxelerate. Martin sieht in den nächsten Jahren in der Steuerbranche große Veränderungen, Stichwort digitale Transformation. Er teilt die Einschätzung vieler Kolleg:innen, dass mehr und mehr Dienstleistungen Einzug halten werden und der Beratungsteil immer wichtiger und größer wird. Durch Automationen u. ä. werden einige Aufgaben in Zukunft nicht mehr durch Menschen erledigt. Es werden Personen gebraucht, die den Bereich vorantreiben und mitgestalten können.
Höherwertige Tätigkeiten werden laut Martin nicht nur wichtig bleiben, sondern an Bedeutung gewinnen. Parallel dazu ist ein neues Berufsbild entstanden, der Digital Translator. Die Person übersetzt fachliche Inhalte für die IT-Welt. Sie muss in der Lage sein, mit den IT-Spezialist:innen zusammenzuarbeiten. Beispielsweise muss sie das Fachvokabular der Steuerbranche beherrschen, um diese der IT-Seite verständlich zu machen.
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Das Recruiting verändert sich
Aber welche Art Menschen bewerben sich auf eine Stellenausschreibung, in der ein „Digital Translator“ gesucht wird? Ein großer Anteil setzt IT-Kenntnisse voraus. Der Wandel stellt eine Chance dar, junge Leute in die Steuerbranche zu führen. Nicht jede Person muss in Zukunft zwangsläufig aus dem Steuerbereich kommen oder sich mit Zahlen und Gesetzen auskennen, um eine Anstellung in einer Steuerkanzlei zu finden. Von der Organisation her kann es von Vorteil sein, wenn die Person bereits aus dem Unternehmen kommt. Beispielsweise können Personen aus anderen Abteilungen in die Steuerabteilung eines Unternehmens positioniert werden.
Was empfiehlt Martin, wenn es ums Recruiting geht? Innerhalb der Branche kämpfen unzählige Kanzleien um einen kleinen Kreis an verfügbarem Personal. Ist es sinnvoll, außerhalb der Branche nach fachfremden Talenten zu suchen? Martin hat erste Tendenzen aus Studien gewinnen können, dass es sinnvoll sein könnte, fachfremde IT-Expert:innen in die Steuerbranche zu holen. Es gibt bereits Fälle, in denen Steuerfachleute mit Automationsfachleuten zusammenarbeiten, um ihre Prozesse zu digitalisieren – mit Erfolg. Aktuell ändern sich die Anforderungen laufend. Eine Frage wird sein, wie Talente in Zukunft im Unternehmen gehalten werden können. Jüngere Generationen neigen dazu, sich alle Optionen offenzuhalten und flexibel zu bleiben. Kanzleien sollten daher ein Umfeld schaffen, in dem die neuen Fachleute ihre Freiheiten finden und die Kanzleien vom Output profitieren.
Auch Talente erwarten heute mehr
Müssen sich Kanzleien mit der Digitalisierung beschäftigen? Dazu hat Martin beobachtet, dass zumindest in Österreich eine große Lücke zwischen den progressiven und den konservativen Kanzleien klafft. Ganz aktuell war Martin in einer Kanzlei, wo noch Belege per Schuhkarton angeliefert und händisch in eine Maske getippt werden. Andere Kanzleien dagegen sind bereits sehr innovativ unterwegs und neugierig auf die neusten digitalen Möglichkeiten. Ein wichtiger Hinweis von Martin: Gerade die jungen Leute der Generation Z wird eine Kanzlei nicht halten können, wenn diese den ganzen Tag Belege abtippen müssen.
Es wird immer Kanzleien und Steuerfachleute geben, die sich der Transformation verschließen. Die Entscheidung ist und bleibt jeder Einzelperson selbst überlassen. Allerdings zeige die Entwicklungen, dass innovationsfreundliche Kanzleien viele Vorteile generieren können. Seien es Zeitersparnisse, seien es Vorteile beim Anwerben der besten Talente, seien es Umsatzsteigerungen durch lukrativere Projekte.
Paul ist Geschäftsführer der hsp und derjenige, der die Klappe hält. Seine Top-Themen: Medienbrüche mittels Software abschaffen. Verfahrensdokumentation, IKS, TCMS und weitere Compliance Themen. Sein aktuelles Projekt: Verrechnungspreisdokumentationen ohne Medienbrüche erstellen. Mittels Taxonomie.