Wir Menschen sind darauf programmiert, durch Belohnungen motiviert zu werden. Diesem Instinkt macht sich die sogenannte Gamification zunutze. Der Mechanismus, den natürlichen Spieltrieb des Menschen anzusprechen, lässt sich im Businessbereich vielseitig einsetzen. Thorsten Niemeyer ist Gamification-Spezialist. Er weiß, wie Nutzer:innen motiviert werden können, eine Software zu nutzen oder bestimmte Dinge zu tun. Aber wie sieht es mit einer Prozessdokumentation aus? Kann Gamification helfen, aus einem Papiertiger eine lebendige aktuelle Prozessdokumentation zu machen? Darüber sprach er bei „hsp live um 11“ mit Paul Liese.
Wie so viele Jugendliche verbrachte Thorsten Niemeyer viel Zeit mit Computerspielen. Erstmals in Kontakt mit dem Begriff „Gamification“ kam er während seines Elektrotechnik-Studiums auf einer Konferenz. Doch erst einige Zeit später begann er, sich richtig intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Heute bildet er sich konstant fort, u. a. auch durch Gamification-Papst Yu-kai Chou, einem der Pioniere und Persönlichkeiten des Feldes. Mit einem Satz erklärt Thorsten den Begriff Gamification so: „Gamification ist die Anwendung von Spielelementen und -mechaniken in Nicht-Spiel-Kontexten.“
Thorsten will mit den Methoden der Gamification erreichen, dass Menschen Tätigkeiten ausüben um der Tätigkeit Willen. Das Ziel ist hier tatsächlich der Weg und nicht die Belohnung, die erst am Ziel auf den Teilnehmenden wartet – also Geld oder eine Medaille. Diesen Mechanismus kann man in eine Software einbauen, um alltägliche, gerade repetitive Aufgaben unterhaltsamer zu machen. Entsprechend steht vor allem die Frage: Wie kann die intrinsische (= aus sich selbst heraus) Motivation geweckt werden, um positive Verhaltensweisen zu fördern?
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Der Spieltrieb als Mindset-Thema
Thorsten nimmt als Beispiel das Selbstcoaching. Über Gamification wird erreicht, dass Menschen sich mit sich beschäftigen. Aspekte wie Stress, Beschäftigungen, Beziehungen, Ablenkungen werden untersucht. Über Gamification-Werkzeuge können Menschen diese Punkte angehen. Beispielsweise, indem sie selbst wählen, mit welchen Methoden sie die Aufgaben angehen. Erfolge und Verbesserungen motivieren automatisch, weiterzumachen. Darüber hinaus gibt es noch den Purpose-Aspekt, also das große Ganze zu betrachten und zu verstehen: Wofür mache ich das? Diese Mechanismen können auch auf eine Software übertragen werden.
Studien zufolge liefern Menschen bei kreativen Aufgaben sogar schlechtere Ergebnisse ab, wenn die Belohnung nur aus Geld oder ähnlichem besteht. Der Grund: Menschen werden durch Eigenmotivation stärker getrieben als durch externe Treiber. Ein Taxifahrer fährt mäßig motiviert für Geld ans Ziel, während die Hobbyrennfahrerin für den ersten Platz Vollgas gibt, ohne auch nur einen Cent zu verdienen. Um repetitive Aufgaben mithilfe der Gamification attraktiv zu machen, bedarf es allerdings guter Ideen. Ein Element könnte kontinuierliches Feedback sein.
Gamification als Werkzeug
Und wie berät Thorsten nun Unternehmen in Sachen Gamification? Zunächst einmal geht es ihm um den Nutzen. Einer Glücksspielplattform würde er seine Dienste nicht anbieten. Anschließend geht es darum, Gewohnheiten aufzubauen. Die Menschen sollen im Laufe der Zeit einen internen intrinsischen Trigger entwickeln. Das bedeutet, dass diese in gewissen Situationen automatisch das Produkt nutzen sollen – also beispielsweise in einem bestimmten Problemfall eine bestimmte Software. Der Aufbau dieses internen Triggers geschieht laut Thorsten durch externe Trigger wie Benachrichtigungen und E-Mails. Bei wiederholtem Einsatz entwickeln die Empfänger:innen solcher externen Trigger im Laufe der Zeit den Automatismus, also den internen Trigger.
Stellt sich die Frage: Was haben Unternehmen davon, eine Software mit Gamification-Komponenten zu nutzen? Dies erklärt Thorsten am Beispiel der Dokumentations-Software. Eine motivierende Software bringt die Mitarbeitenden dazu, die Dokumentationen regelmäßig aktuell zu halten und immer wieder an Optimierungen zu arbeiten. Dies hat wiederum den Effekt, dass die Dokumentation nutzbar sind und für Prozessoptimierungen eingesetzt werden können. Erfolge wie diese sorgen für Belohnungseffekte bei den Mitarbeitenden und zufriedene Kund:innen. Kurz: Von Gamification können Unternehmen stark profitieren.
Mit Feedbacks zu mehr Produktivität
Ein Feedback motiviert am Ende deutlich mehr als nur ein reines Punktesystem. Aber welche Rolle spielt die soziale Komponente? Natürlich spiele es eine Rolle, sich mit den Erfolgen der Kolleg:innen zu vergleichen, so Thorsten. Es geht aber nicht nur um Wettbewerb untereinander. Gamification-Mechanismen können auch dazu benutzt werden, dass sich Teammitglieder gegenseitig Feedback geben und motivieren. Darüber können Status vergeben und aufgebaut werden. Es geht also nicht unbedingt um die Auszeichnung oder um den Status, sondern was diese im sozialen Kontext innerhalb des Teams bedeuten.
Kann man wirklich alle Menschen mit Gamification-Methoden motivieren? Darauf kann Thorsten nur die berühmte Lieblingsantwort aller Jurist:innen geben: Kommt drauf an. Als Gamification-Berater stellt er zu Beginn jedes Projekts die Frage: Für wen mache ich das? Wer soll motiviert werden? Anschließend geht es daran, für bestimmte Menschen bestimmte Treiber zu identifizieren. Die stärksten Motivatoren können Status und Anerkennung, Wissen und Bildung oder Ängste sein. Bei einer homogenen Menschengruppe mit einem großen gemeinsamen Motivator kann ein Großteil abgedeckt werden, allerdings gibt es immer wieder Personen, die nicht ins Raster fallen.
Die zwei Gamification-Pole
Die zwei Enden der Gamification sind explizit und implizit. Einerseits kann die Gamification-Komponente extrem offensichtlich in eine Software eingebaut sein, etwa durch Optik und Präsentation. Andererseits ist es auch möglich, dass die Nutzenden zunächst überhaupt nicht merken, dass die Software Gamification-Komponenten und Belohnungssysteme enthält. Thorsten spricht aber auch davon, dass die Grenzen fließend sind und es zwischen den Extremen unzählige Abstufungen gibt.
All das kann auch bei der Erstellung einer Verfahrensdokumentation eingesetzt werden. Ob es der Status ist, ob es Feedbacks sind – durch bestimmte Motivatoren kann der Vorgang einer Dokumentation spannender inszeniert werden.
Die gemeinsame Zusammenarbeit mit Thorsten und der hsp startet im Januar. Wer sich dafür interessiert, sollte unbedingt die Social-Media-Kanäle der hsp abonnieren.
Paul ist Geschäftsführer der hsp und derjenige, der die Klappe hält. Seine Top-Themen: Medienbrüche mittels Software abschaffen. Verfahrensdokumentation, IKS, TCMS und weitere Compliance Themen. Sein aktuelles Projekt: Verrechnungspreisdokumentationen ohne Medienbrüche erstellen. Mittels Taxonomie.