Die Bundesregierung hat einiges versucht, um Pleiten während der Pandemie zu verhindern. So konnten die Schutzschirme über vielen Unternehmen einige Insolvenzen abwenden. Doch der Schirm wird zurückgezogen, die Wirtschaft erwartet eine Reihe von Insolvenzen. Viele Mandanten setzen sich gerade mit diesem Szenario auseinander. Deshalb ist es so wichtig, jetzt über Gegenmaßnahmen zu sprechen. In dieser Folge von „hsp live um 11“ begrüßt hsp-Geschäftsführer Paul Liese Senior-Analyst Holger Becker von der Creditreform Rating AG. Die beiden sprechen darüber, wie ein Bilanzrating einem Steuerberater und dessen Mandanten helfen kann, dem Unternehmen einen Kredit zu sichern.
Holger Becker aus Düsseldorf war früher Banker und bringt 20 Jahre Erfahrung aus der Bankenwelt mit. Bereits früh in seiner Karriere beschäftigte er sich Ratings und Analysen. Vor 10 Jahren hat er sich schließlich selbständig gemacht und ist verstärkt im Aus- und Fortbildungsbereich tätig – natürlich hauptsächlich in seiner Disziplin Rating und Ratinganalyse.
Wie passen Pandemie, Ratings und Unternehmen zusammen? Holger hat die Erfahrung gemacht, dass aktuell die Banken mit der Pandemie und deren Auswirkungen sehr unterschiedlich umgehen. Der Grund dafür ist, dass durch diverse Faktoren wie die Corona-Hilfen die Bilanzen und Zahlen sehr unterschiedlich zu verstehen sind. Aktuell befinden sich Banken in der Selektionsphase: Welche Kreditnehmer schaffen es ohne Hilfe wieder zurück in die Spur, welche Kreditnehmer würden ohne Hilfe in Gefahr geraten?
Veränderte Bankensicht
Ein Stück weit hat sich die Sichtweise der Banken durch die Pandemie verändert. Banken schauen eigentlich darauf, wo Risiken liegen. Denn sie können die Unternehmen nicht von innen kennenlernen, daher stehen ihnen nur die Zahlen zur Verfügung. Jetzt aber schauen sie sich an, wie die Unternehmenszahlen vor der Pandemie aussahen und währenddessen. Die Banken sehen heute genauer hin als es vorher der Fall war.
Steuerberater:innen sollten sich heute mit ihren Mandanten zusammensetzen und auch mal die Position einer Bank einnehmen. Denn Inhaber:innen von Betrieben müssen nicht unbedingt ihre Zahlen einschätzen können. Hier können Steuerberatungen dabei unterstützen, die Zahlen zu interpretieren und die Betriebe auf Gespräche mit Banken vorzubereiten. Aber ist es realistisch, dass Steuerberater:innen die Position von Banken einnehmen? Holger meint, dass es hilfreich sei, wenn jemand die Bankenwelt kenne.
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Kommunikation ist alles
Oft seien es Einbahnstraßen: Banken gehen selten auf Unternehmen zu, wenn die Zahlen nicht stimmen. Hier hilft es immer, wenn die Steuerberatung mit Fachkenntnis vermitteln kann. Schließlich haben beide Seiten ihre Interessen, die berechtigt sind. Zudem sind Banken an Regulierungen gebunden. Sie können nicht immer frei entscheiden, auch wenn sie wollten. Wer dies nicht weiß, kann sich auch nicht auf Gespräche und Kreditverhandlungen vorbereiten. Wenn aber eine Steuerberatung davon weiß, kann sie bei Problemen an den richtigen Hebeln ansetzen, um die Probleme mit den Regularien aus dem Weg zu schaffen.
Zusätzliches Problem ist, dass man nur mit dem Bankberater spricht und nicht direkt mit den entscheidenden Personen. Daher muss ich als Außenperson dem Bankberater die richtigen Unterlagen und Informationen in die Hand drücken, die er unverfälscht weitergeben kann. Er muss eben in der Lage sein, die Informationen weiterzutragen. Alle Informationen nur verbal zu übermitteln, birgt also ein großes und vor allem unnötiges Risiko. Daher sollten nicht nur Unterlagen wie Dokumentationen und Ratings schriftlich bereitgehalten werden, sondern auch die Argumentationen. Spontan hat Paul die Idee, die Informationen per Video bereitzustellen – dazu hat Holger allerdings keine Erfahrungen, dies müsste man also einfach mal ausprobieren.
Bei Verhandlungen helfen Ratings
Aber wie genau hilft ein Bilanzrating bei der Kreditverhandlung? Holger schiebt vor, dass hier mit Bilanz eigentlich der komplette Jahresbericht gemeint ist. Beim Rating eines Jahresabschlusses wird die Brille der Bank aufgesetzt. Denn bei der Erstellung der Bilanz wird nicht die analytische Brille aufgesetzt, sondern die des Gesetzgebers. Banken schauen aber auf ganz andere Faktoren, beispielsweise Risiken fürs Eigenkapital oder ähnliche Punkte. Der Ratingvorgang, beispielsweise das Rating der Creditreform Rating AG, simuliert die Bankensicht. Daher kann mit einem Rating bereits im Vorfeld ermittelt werden, welche Punkte die Bank sieht und wie die eigenen Kennzahlen von einer Bank gesehen werden.
Und wann sollte das Rating angefordert bzw. durchgeführt werden? Es ist durchaus von Vorteil, vor Fertigstellung des Jahresabschlusses das Rating einzuholen, um zumindest im gesetzlichen Rahmen in die Zahlen oder Angaben einzugreifen. Hier merkt Holger an, dass bei jedem Rating immer die Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass die Bank mit einer etwas anderen Sicht vorgeht und vom Rating abweicht. Daher sollte immer rechtzeitig kommuniziert werden, was vorab am Rating oder Jahresbericht getan wurde und welche Beweggründe für die Optimierung des Ratings vorlagen. Nur so kann die Bank das Unternehmen und das Rating richtig einschätzen.
Grundsätzlich gilt, dass es immer besser ist, mit einem Rating zu einem Kreditgespräch zu gehen. Das Rating zeigt, dass sich das Unternehmen bereits vorab mit der Bilanzanalyse und den eigenen Kennzahlen beschäftigt hat. Gerade wenn das Rating durch die Steuerberatung angefordert wird, kann eine beratende Person viel besser und früher auf das Unternehmen zugehen. Viele vergessen auch, dass ein Bilanzrating neben dem Zahlen-Daten-Fakten-Teil eine Einschätzung für die zukünftige Entwicklung des Unternehmens enthält. Gerade für eine Kreditvergabe sind diese Informationen wichtig und hilfreich.
Gegengewicht zur Bank
Bildet der Ratingbericht gar ein Gegengewicht zur Meinung der Bank? Holger sieht es durchaus so. Das Rating wurde schließlich durch eine neutrale Stelle angefertigt und bildet eine starke Argumentationsgrundlage. Dies ist auch so erlaubt: Das Rating darf als Argumentationshilfe bei Kreditverhandlungen zu Rate gezogen werden.
In den kommenden Monaten kommt ein neues E-Learning für die hsp Academy mit Holger Becker zu seinen Paradethemen rund um Bilanzratings und Analysen. Nächste Woche bei „hsp live um 11“ wird Samuel Königshoven mit Viktor Rebant über Tools für die Digitalisierung und die daraus entstehende Datenbank sprechen.
Paul ist Geschäftsführer der hsp und derjenige, der die Klappe hält. Seine Top-Themen: Medienbrüche mittels Software abschaffen. Verfahrensdokumentation, IKS, TCMS und weitere Compliance Themen. Sein aktuelles Projekt: Verrechnungspreisdokumentationen ohne Medienbrüche erstellen. Mittels Taxonomie.